Rz. 41
§ 6 Abs. 2 ErbStG beginnt mit der Fiktion, dass der Erwerb des Nacherben als vom Vorerben stammend zu versteuern ist und bricht daher mit der erbrechtlichen Systematik (s. Rn. 23 ff. und s. Rn. 2), die sowohl im Vorerben als auch im Nacherben, Erben des Erblasser sieht. Erbschaftsteuerlich ist der Nacherbe als Erbe des Vorerben zu behandeln. Die Erbschaftsteuer entsteht zum Zeitpunkt des Nacherbfalls (§ 9 Abs. 1 Nr. 1h ErbStG). Entsprechend richtet sich auch die Bewertung des Nachlasses nach diesem Zeitpunkt (§ 11 ErbStG), was zur Folge hat, dass sich der Wert der Nacherbschaft vom Wert der Vorerbschaft (u. U. deutlich) unterscheiden kann, man denke insoweit nur an sich täglich in ihrem Wert verändernde Wertpapierdepots, die sich im Nachlass befinden (FinMin Baden-Württemberg vom 09.09.2008, DB 2008, 2167). Nimmt allerdings der Nacherbe in Erwartung der Nacherbfolge bereits Baumaßnahmen auf einem zum Nacherbschaftsvermögen gehörigen Grundstück vor, so unterfällt der dadurch eingetretene Wertzuwachs beim Eintritt des Nacherbfalls nicht der Besteuerung (s. BFH vom 01.07.2008, BStBl II 2008, 876; Pahlke, NWB 2009, 53; Götz, ZEV 2010, 561, 563). Einzelheiten s. § 7 Rn. 335 ff.
Schlägt der Vorerbe die Erbschaft aus, so erbt der Nacherbe unmittelbar vom Erblasser (s. FG Hessen vom 03.04.2007, EFG 2007, 1534, rkr.). Er liegt dann kein Fall der Vor- und Nacherbfolge vor.
Rz. 42
Das Nacherbschaftsvermögen umfasst alle Forderungen und Gegenstände, die gem. § 2130 BGB vom Vorerben bzw. dessen Erben an den Nacherben herauszugeben sind. Umfasst werden aber auch Herausgabeansprüche des Nacherben gegen einen nach § 2113 Abs. 2 BGB durch den Vorerben Beschenkten, die der Nacherbe mit Erfolg geltend macht (s. auch Geck in K/E, § 6 Rn. 26). Evtl. vom Schenker oder Beschenkten darauf entrichtete Steuer erlischt sodann gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und ist zu erstatten (s. BFH vom 24.05.2000, BFH/NV 2001, 40). Nicht vom steuerlichen Wertzuwachs des Nacherben erfasst sind allerdings Vermögenswerte, die der Nacherbe selbst durch Baumaßnahmen auf einem nachlasszugehörigen Grundstück zu Lebzeiten des Vorerben in Erwartung der Nacherbfolge geschaffen hat (BFH vom 01.07.2008, BStBl II 2008, 876).
Rz. 43
Da der Nacherbe steuerlich vom Vorerben erbt, sind auf die Besteuerung auch alle Besteuerungsmerkmale, die zwischen Vor- und Nacherben bestehen, anzuwenden, die zwischen Erblasser und Nacherbe bestehenden Besteuerungsmerkmale sind dem hingegen außer Acht zu lassen. § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG gibt dem Nacherben jedoch auf Antrag die Möglichkeit, dass trotz der Fiktion des § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG "der Versteuerung das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen ist". Der Antrag kann bis zur Rechtskraft der Veranlagung gestellt werden, einer Begründung bedarf es nicht. Er kann auch von einem zweiten und späteren Nacherben für seine Versteuerung gestellt werden (s. RFH vom 10.10.1935, RStBl 1935, 1485) und ist immer dann sinnvoll, wenn die Versteuerung im Verhältnis zum Erblasser günstiger ist, was regelmäßig dann der Fall sein wird, wenn hierdurch eine günstigere Steuerklasse zur Anwendung kommt. Gleichwohl ist immer anhand der Umstände des Einzelfalls durch eine Vergleichsberechnung zu ermitteln, welche der beiden möglichen Varianten vorzugswürdig ist.
Rz. 44
Antragsberechtigt ist der Nacherbe, der allerdings in einem "Verhältnis" zum Erblasser stehen muss. Abzustellen ist aber nicht auf das sich aus § 1589 BGB ergebende Verwandtschaftsverhältnis, sondern auf die Steuerklassenzuordnung nach § 15 ErbStG, die insoweit die für die Besteuerung speziellere Regelung darstellt. Stiefverhältnisse und Schwägerschaften berechtigen daher ebenso zur Antragstellung wie sonstige in § 15 ErbStG genannte zivilrechtliche Verwandtschaftsverhältnisse (ebenso Halaczinsky, ZErb 2004, 149, 153 und Geck in K/E, § 6 Rn. 27). Hierzu auch s. § 15 Rn. 34 und s. § 15 Rn. 53.
Rz. 45
Während das Gesetz beim Eintritt der Nacherbschaft durch den Tod des Vorerben das Antragsrecht vorsieht, sind die Besteuerungstatbestände vor Eintritt der Nacherbschaft (s. Rn. 35 ff.) unter diesem Aspekt uneinheitlich und inkonsequent geregelt (s. Löcherbach in V/S/W, § 6 Rn. 20). So besteht im Fall der vorweggenommenen Nacherbfolge (§ 7 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG) gem. § 7 Abs. 2 ErbStG ebenfalls die Möglichkeit auf Antrag der Versteuerung das Verhältnis zum Erblasser zugrunde zu legen, während dies in den Fällen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 6 ErbStG (entgeltliche Übertragung des Anwartschaftsrechts und entgeltliche Ausschlagung der Nacherbschaft) nicht möglich ist. Eine (umgekehrte) analoge Anwendung von § 6 Abs. 2 Sätze 2 ff. ErbStG wie von Gottschalk wegen der Sachnähe zur Vor- und Nacherbschaft befürwortet (s. Gottschalkl in T/G/J/G, § 6 Rn. 58), ist de lege lata nicht möglich, wäre allerdings de lege ferenda begrüßenswert (ebenso Löcherbach in V/S/W, § 6 Rn. 14).
Aus dem gleichen Grunde ist auch eine analoge Anwendung des Antragsrechts gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 und § 7 Abs. 2 E...