Rz. 64
Weitere Erwerbe innerhalb von zehn Jahren nach dem zu besteuernden Erwerb sind bei der Ermittlung des einzusetzenden Vermögens nach § 28a Abs. 4 ErbStG zu berücksichtigen. Diese Regelung soll Gestaltungen vermeiden, die eine zeitlich gestreckte Übertragung – erst begünstigtes und später nicht begünstigtes Vermögen – vorsehen (BT-Drs. 18/5923, 35). Dadurch kann, je nachdem, ob die Erbschaftsteuer ein abzugsfähiger Schuldposten i. R.d. Feststellung des verfügbaren Vermögens ist, was wegen § 10 Abs. 2 ErbStG zweifelhaft sein dürfte, die Steuerbelastung auf das Verwaltungs- bzw. das PV je nach Steuerklasse 80 % oder mehr betragen (Reich, DStR 2016, 2447, 2449). Diese Regelung wird durch die Neuregelung in den Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 in R E 28a.4 Abs. 2 Satz 8 ErbStR ausdrücklich gedeckt. Diese Neuregelung ergänzt die unverändert übernommene Regelung, dass die Erbschaftsteuer auf den ursprünglichen Erwerb das verfügbare Vermögen nicht mindern soll (ablehnend dazu Korezkij, DStR 2019, 137 (143)).
Rz. 65
Darüber hinaus bedeutet die Regelung, dass das verfügbare Vermögen des Erwerbers in den Fällen, in denen er "scheibchenweise", also wiederholt bzw. mehrfach von demselben Zuwender begünstigtes Vermögen erwirbt, jeweils nach der Steuerzahlung als weiter verfügbares und einzusetzendes eigenes Vermögen behandelt wird und damit je Erwerbsvorgang stets weiter zur Hälfte als verfügbares Vermögen zur Steuerzahlung eingesetzt werden muss. Mithin ist durch die gesetzliche Regelung eine vorausschauende und alle möglichen Erwerbe umfassende Übertragungsplanung erforderlich, um eine Mehrfachbelastung von erworbenen Vermögen durch den mehrfachen Einsatz als verfügbares Vermögen zu minimieren oder zu vermeiden.
Rz. 66
Die Planung muss sich auf mehrere Ebenen erstrecken: Unter Beachtung eines Zehnjahreszeitraumes sind die EL bzw. Schenker, das Unternehmen sowie der Erwerber zu betrachten.
Rz. 67
Vorsicht ist auch bei Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt geboten. Sollte der Erwerber der nießbrauchsbelasteten Unternehmensanteile in dem folgenden Zehnjahreszeitraum weiteres – verfügbares – Vermögen von demselben Übertragenden erhalten, welches aus dem vorbehaltenen Nießbrauch stammt, führt dies zu einer echten Doppelbelastung. Der Übertragende musste den Nießbrauchsertrag u. a. der Einkommensteuer unterwerfen und der Erwerber muss nun seinerseits 50 % des noch erhaltenen als verfügbares Vermögen für die Steuerzahlung abführen. Dieselbe Problematik ergibt sich auch, wenn im Todesfall eine etwaige Restbeteiligung auch nach dem Zehnjahreszeitraum zusammen mit weiterem verfügbaren Vermögen aus dem Nießbrauchsrecht übertragen wird.
Eine andere Konstellation stellt der sog. Zuwendungsnießbrauch an begünstigungsfähigem Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG dar. Hier kann der Zuwendungsempfänger PV aufbauen, welches von dem Unternehmensbeteiligten separiert ist und so – sofern auf unterschiedliche Erwerber übertragen wird – nicht als verfügbares Vermögen zur Verfügung steht.