Rz. 68
Für die erforderliche Betrachtung der verschiedenen Ebenen bei der Vermögensübertragung von Großerwerben sind zunächst die Anforderungen der einzelnen Beteiligten zu definieren. Ziel auf der Ebene des Unternehmens, dessen Beteiligungen übertragen werden, ist die möglichst vollständige Erlasssituation, d. h. alle Voraussetzungen für den Erlass der Steuerbelastung zu schaffen. Ziel ist also, möglichst viel begünstigtes Vermögen zu schaffen und die VV-Quote auf maximal 10 % zu senken sowie möglichst wenig sog. junges VV bzw. junge Finanzmittel zu haben. So kann im besten Fall ein vollständiger Steuererlass erreicht werden, da kein VV zur Steuerzahlung eingesetzt werden muss und so ein "optimiertes Gesamtpaket" (vgl. Reich, DStR 2016, 2447 (2450) auf den (ggf. einen) Erwerber übertragen werden kann und nicht wegen z. B. der Erreichung des Ziels der Splittung des Großerwerbs auf mehrere Erwerber übergehen muss.
Rz. 69
Auch das sog. junge Verwaltungsvermögen bzw. die jungen Finanzmittel stellen sog. verfügbares Vermögen dar. Dies kann z. B. dadurch gelöst werden, dass ein entsprechendes Wertpapiervermögen in Form eines Fonds oder innerhalb einer gesonderten Gesellschaft (vermögensverwaltende GmbH) gehalten werden, die die laufenden An- und Verkäufe von Wertpapieren tätigen. Damit wird dieses Vermögen als Beteiligung und nicht als junges VV bzw. junge Finanzmittel gehalten, die Umschichtungen finden nicht direkt im BV statt und das BV wird nicht entsprechend negativ infiziert, da es nur den Fonds bzw. die Beteiligung hält.
Rz. 70
Bei Personengesellschaften ist eine mögliche Gestaltung die Separierung des VV in ein Sonderbetriebsvermögen. Wenn gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG VV vom Gesamthands- in ein Sonder-BV überführt wird, wird sog. schädliches, d. h. nicht begünstigungsfähiges Vermögen übertragen. Sämtliche Regelungen zum Familienvorwegabschlag nach § 13a Abs. 9 ErbStG sind daher unbeachtlich. Sodann kann der Anteil mit dem verschonungsfähigen Gesamthandsvermögen übertragen werden. Das nicht begünstigte BV, bestehend aus dem Sonder-BV, kann mit einem kleinen Restmitunternehmeranteil entweder zurückbehalten werden oder einem anderen Erwerber (z. B. Ehepartner oder weiteres Kind) innerhalb der Frist von zehn Jahren von Todes wegen zugewandt werden und später dann dem eigentlichen Unternehmensnachfolger. Alternativ könnte das Sonder-BV in Form des Restmitunternehmeranteils auch auf eine weitere PersG übertragen werden (Ausgliederung) (nach Reich, DStR 2016, 2447, 2450, der eine Änderung der Ansicht der FinVerw zu dieser Frage im Anschluss an den Beschluss des BFH vom 30.06.2016, BFH/NV 2016, 1452 erwartet).
Rz. 71
Grds. führt das neue Erbschaftsteuerverschonungssystem dazu, dass mehr getrennt werden wird, welcher Erwerber begünstigtes und welcher nicht begünstigtes Vermögen erhalten soll. Diese Trennung der "Vermögensarten" bei unterschiedlichen Erwerbern, die innerhalb des Zehnjahreszeitraumes bedeutsam ist, wird ggf. auch zu wirtschaftlich nicht gewollten Ergebnissen führen. Eine tatsächliche Gestaltungsoption ist das bewusste Auswählen unterschiedlicher Erwerber für unterschiedliche Arten von Vermögen mit den anhängenden Verschonungsregelungen. So könnte beispielweise verfügbares PV auf andere Personen übergehen als verschonungsfähiges BV. Das würde dazu führen, dass das PV nicht zu 50 % als verfügbares Vermögen für die Steuerzahlung eingesetzt werden muss. Steht einem Ehe- oder Lebenspartner dann noch ein fiktiver Zugewinnausgleichsanspruch, der zu einem entsprechenden Freibetrag nach § 5 ErbStG führen würde, zu, ist ein solcher Erwerber im Zusammenspiel mit dem persönlichen Freibetrag ein idealer Erwerber des PV.
Rz. 72
Eine solche Gestaltung kann auch i. R.d. testamentarischen Unternehmensnachfolge bei Erwerben von Todes wegen erfolgen, in dem eine entsprechende vermächtnisweise Zuordnung angeordnet wird. Die bloße Teilungsanordnung oder die tatsächliche Nachlassteilung könnten in einem solchen Fall nicht ausreichend sein. Man könnte aber sogar so weit gehen, dass allein eine vermächtnisweise Zuordnung der Unternehmensbeteiligung ausreichend sein könnte. Das PV würde in die Erbmasse nach § 1922 BGB fallen und stünde dem Unternehmenserwerber nicht als "sein" Vermögen zur Verfügung, denn er hat lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Nachlass nach § 2174 BGB. Dies erscheint jedoch im Ergebnis fraglich, da der Erwerber bei der Nachlassteilung – sofern diese binnen zehn Jahren nach dem Erwerb der Unternehmensbeteiligung erfolgt – erneut anteilig einzusetzendes PV erhält. Dieselbe vermächtnisweise Anordnung der Zuwendung einzelner Positionen aus dem Betrieb ist umgekehrt denkbar, wenn z. B. diejenigen Positionen, die nicht begünstigtes BV darstellen (wie z. B. Gesellschafterdarlehen im Sonder-BV), wenn die Finanzmittelquote über 15 % liegt oder etwaige Grundstücke, sofern sie nicht betriebsnotwendig sind, anderen Personen als dem Erwerber der Unternehmensbeteiligung zugewendet werden. Hier kann u...