Rz. 38

Der fiktive Zugewinnausgleichsanspruch wird grds. anhand der zivilrechtlichen Bewertungsvorschriften berechnet (s. Rn. 5). Die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG sieht aber vor, dass der Zugewinnausgleichsanspruch nicht nach zivilrechtlichen Werten von der Erbschaftsteuer freizustellen ist. Vielmehr ist nur der mit Hilfe einer Umrechnung ermittelte und dem Steuerwert des Endvermögens (bis zum 01.01.2009: des Nachlasses) entsprechende Betrag steuerfrei zu stellen, wenn dieser niedriger ist. So kommt es zu einer Kürzung des fiktiven Ausgleichsanspruchs auf das Niveau des Steuerwerts. Damit wird verhindert, dass ein höherer Verkehrswert das Vermögen, welches mit dem Steuerwert der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegt, im Übermaß freistellt (Weinmann in M/W, § 5 Rn. 46). Da die Steuerwerte nach dem vor 2009 geltendem Recht regelmäßig von den Verkehrswerten abwichen, musste die Umrechnung früher für jeden Einzelfall vorgenommen werden. Durch die Annäherung der Steuerwerte an die Verkehrswerte i. R.d. Erbschaftsteuerreform 2009 ist die Bedeutung des § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG inzwischen gesunken (vgl. Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 44). Ist der Steuerwert im Einzelfall höher als der für zivilrechtliche Zwecke ermittelte Wert (etwa aufgrund bei der güterrechtlichen Wertermittlung berücksichtigter latenter Einkommensteuerlasten; s. hierzu Rn. 25), kommt umgekehrt eine Erhöhung der fiktiven Ausgleichsforderung nicht in Betracht (Gottschalk in T/G/J/G, § 5 Rn. 246).

 
Praxis-Beispiel

(nach Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 40)

Beträgt die fiktive Ausgleichsforderung (AF) 2.000 TEUR, der Steuerwert des Nachlasses (NS) 3.000 TEUR und sein Verkehrswert (NV) 4.000 TEUR, so errechnet sich der Steuerwert der Ausgleichsforderung (AFS) wie folgt:

Lösung:

 

Rz. 39

Bereits der Einführungserlass (vom 10.03.1976, BStBl I 1976, 145) sah in Tz. 2.1 Buchst. b die Kürzung der Ausgleichsforderung vor. Dies wurde später vom BFH bestätigt (BFH vom 10.03.1993, BStBl II 1993, 510). Seit jeher steht diese Kürzung in der Kritik der Literatur (vgl. Hannes/Holtz in M/H/H, § 5 Rn. 33; Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 41 m. w. N.). Gleichwohl ist die Frage für die Praxis als entschieden anzusehen (vgl. Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 41 mit einem Beispiel).

 

Rz. 40

Alle zum Endvermögen gehörenden Nachlassgegenstände sind unabhängig davon, ob ihr Erwerb der Erbschaftsteuer unterliegt, in die Verhältnisrechnung einzubeziehen (BFH vom 10.03.1992, BStBl II 1993, 510; R E 5.1 Abs. 5 Satz 2 ErbStR). Dies betrifft zum einen Wirtschaftsgüter, deren Erwerb infolge eines Doppelbesteuerungsabkommens oder aufgrund beschränkter Steuerpflicht nicht der inländischen Besteuerung unterliegt (vgl. dazu das Beispiel in Tz. 2.1 Buchst. b. des Einführungserlasses vom 10.03.1976, BStBl I 1976, 145). Zum anderen ist das nach §§ 13, 13a ff. oder 13d ErbStG steuerbefreite Vermögen ohne Berücksichtigung der Begünstigung, d. h. mit seinem Bruttowert, einzubeziehen (vgl. R E 5.1 Abs. 5 Satz 3 ErbStR). Aufgrund der umfassenden Berücksichtigung sämtlicher Vermögenswerte bei der Verhältnisrechnung müssen auch alle bei der Ermittlung des Endvermögens anzusetzenden Verbindlichkeiten abziehbar sein. § 10 Abs. 6 ErbStG ist insoweit nicht einschlägig (OFD NRW Kurzinformation vom 31.10.2014, Nr. 005/2014, DStR 2014, 2571; vgl. Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 42; Gottschalk in T/G/J/G, § 5 Rn. 245). Beträge, die nach § 1375 Abs. 2 BGB dem Endvermögen zuzurechnen sind, gehören weder zivilrechtlich noch steuerrechtlich zum Nachlass, können also nicht i. R.d. § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG hinzugerechnet werden (BFH vom 29.06.2005, BStBl II 2005, 873 = ZEV 2005, 488 mit Anm. Gebel; s. koordinierter Ländererlass, z. B. FinMin Bayern vom 25.09.2006, DStR 2006, 1985; zur rechnerischen Ermittlung der erbschaftsteuerfreien Zugewinnausgleichsforderung nach dieser Rspr. vgl. Ebeling, ZEV 2006, 19).

 

Rz. 41

Nicht endgültig geklärt ist die Behandlung von Vorschenkungen i. S. d. § 1380 BGB i. R.d. § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG. Die FinVerw bezieht im Anschluss an Raudszus (DStR 1987, 323 und DB 1992, 2312) Vorschenkungen bei der Ermittlung der für die Kürzung der Ausgleichsforderung maßgebenden Ausgangsgrößen (Steuerwert und Verkehrswert des Nachlasses) ein (vgl. Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 43; krit. zu dieser Methode aber Hannes/Holtz in M/H/H, § 5 Rn. 36; Gottschalk in T/G/J/G, § 5 Rn. 245; a. A. auch FG Hamburg vom 01.07.1986, EFG 1987, 191, rkr.).

I.R.d. Erbschaftsteuerreform 2009 wurde die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG zwar beibehalten, aber geringfügig geändert. So sollen die auch von Weinmann (M/W, § 5 Rn. 47a und b) geschilderten Probleme bezüglich des Begriffs "Nachlass" gelöst werden, indem stattdessen der Begriff "Endvermögen" eingefügt wurde. Im reformierten Erbschaftsteuerrecht dürfte sich die Problematik angesichts der Annährung der Steuerwerte an die Verkehrswerte allerdings in erheblich geringerem Umfang stellen. Die Zugewinnausgleichsforderung wird daher regelmäßig in voller Höhe in Abzug gebracht werden können. I....

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