Ausgewählte Literaturhinweise:

Bisle, Untervermächtnis als abziehbare Nachlassverbindlichkeit, SteuK 2015, 427;

Daragan, Das Kaufrechtsvermächtnis im Erbschaftsteuerrecht, DB 2004, 2389;

Steiner, Besteuerung von Vermächtnissen unbestimmten Inhalts; Fallgruppen, zivilrechtliche Einordnung und steuerliche Behandlung, ErbStB 2011, 144; Weinmann in M/W, § 3 Rz. 87 ff.

Ausgewählte Rechtsprechung:

BFH vom 06.06.2001, BStBl II 2001, 605

4.1 Die Bedeutung des Vermächtnisses/Grundaussage/Abgrenzung im ErbStG

 

Rz. 224

Im Unterschied zum Erbanfall (1. Grundtatbestand = Synonym für die Gesamtrechtsnachfolge) liegt beim Vermächtnis eine Einzelzuwendung von Todes wegen vor. Anders als die Auflage (s. § 2192 BGB) begründet das Vermächtnis einen Anspruch des Vermächtnisnehmers gegen den Erben bzw. gegen die Miterbengemeinschaft (s. § 2147 BGB) auf Übereignung und Herausgabe des Vermächtnisgegenstandes. Im seltenen Fall kann auch ein (weiterer) Vermächtnisnehmer Schuldner des Herausgabeanspruchs sein (Untervermächtnis, s. § 2186 BGB).

 

Rz. 225

Als Hauptanwendungsformen kann der Erblasser nicht nur Geld- und Rentenvermächtnisse zu Gunsten des Vermächtnisnehmers anordnen. Er kann auch gegenständliche Direktzuwendungen vornehmen, wonach ein bestimmter Nachlassgegenstand aus dem Nachlass an die bedachte Person auszukehren ist (sog. "Stück- oder Sachvermächtnis". Schließlich kann auch ein Gattungsvermächtnis verfügt werden, wonach ein der Gattung nach bestimmter Gegenstand von den Erben herauszugeben ist.

 

Rz. 226

Eher seltener trifft man auf die Verpflichtung der Erben, für den Vermächtnisnehmer einen nicht zum Nachlass gehörenden Gegenstand zu erwerben, sog. "Verschaffungsvermächtnis".

In der erbschaftsteuerlichen Auswirkung ist das Vermächtnis zweimal zu berücksichtigen:

 

Rz. 226a

Hinweis: Hinsichtlich der Abziehbarkeit von Vermächtnissen i. V. m. der Übergabe privilegierten Vermögens entschied der BFH mit Urteil vom 22.07.2015, BeckRS 2015, 95477, dass der Wert eines auf Zahlung von Geld gerichteten Untervermächtnisses auch dann in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit abziehbar ist, wenn der vermächtnisweise Erwerb einer Beteiligung an einer Personengesellschaft nach § 13a ErbStG begünstigt ist (§ 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG ist insoweit nicht anwendbar).

4.2 Erbrecht: Das Vermächtnisrecht

4.2.1 Begründung eines Vermächtnisses

 

Rz. 227

Vermächtnisse werden im Regelfall durch Verfügungen von Todes wegen begründet; darüber hinaus gibt es aber auch gesetzlich angeordnete Vermächtnisse, von denen – nach Wegfall des Erbersatzanspruches gem. §§ 1934a–1934c BGB a. F. – der "Voraus" des Ehegatten (s. § 1932 BGB) der wichtigste Anwendungsfall ist. Für den Fall eines gemeinschaftlichen Haushalts erstreckt sich der Anspruch des Ehegatten, der (Mit-)Erbe geworden ist, auf die Haushaltsgegenstände oder allgemeiner auf die Gegenstände, die den äußeren Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft gebildet haben.

4.2.2 Die Parteien des Herausgabeanspruchs

4.2.2.1 Die Schuldner (= die Beschwerten)

 

Rz. 228

Grundsätzlich ist der Erbe (die Miterbengemeinschaft) beschwert (s. § 2147 BGB). Es kann aber auch ein weiterer Vermächtnisnehmer beschwert sein. Es sind auch Fälle einer "Vermächtniskette" denkbar, das sog. "Nachvermächtnis" (§ 2191 BGB). In diesen Fällen wird derselbe Gegenstand nacheinander vermacht (s. § 6 Rn. 68 ff.).

4.2.2.2 Die Berechtigten (= Vermächtnisnehmer)

 

Rz. 229

Tauglicher Vermächtnisnehmer und damit Gläubiger des Herausgabeanspruchs ist jeder, der auch erbfähig ist (natürliche und juristische Personen sowie Gesamthandsgemeinschaften). Der Vermächtnisnehmer muss beim Tode des Erblassers leben (s. § 2160 BGB), es sei denn, dass ein Ersatzvermächtnis angeordnet ist. Auch der Erbe selbst kann Gläubiger des Herausgabeanspruchs sein (s. § 2150 BGB; sog. "Vorausvermächtnis" in Abgrenzung zur Teilungsanordnung).

4.2.2.3 Inhalt des jeweiligen Vermächtnisses

 

Rz. 230

Häufige ("typische") Vermächtnisarten werden mit ihren jeweiligen Folgen tabellarisch dargestellt:

 
Art des Vermächtnisses Rechtsfolge
Stückvermächtnis (s. § 2169 BGB) Herausgabe eines bestimmten Gegenstandes, der zum Nachlass gehört
Verschaffungsvermächtnis (s. § 2170 BGB) Herausgabe eines Gegenstandes, der nicht zum Nachlass gehört
Gattungsvermächtnis (s. § 2155 BGB) Herausgabe eines unbestimmten Gegenstandes, der erst durch die Leistung konkretisiert wird
Wahlvermächtnis (s. § 2154 BGB) Herausgabe eines Gegenstandes nach Wahl des Bedachten
Zweckvermächtnis (s. § 2156 BGB) Anordnung des Zwecks durch Erblasser, Konkretisierung durch ­Dritten
 

Rz. 231–239

vorläufig frei

4.3 Erbschaftsteuerliche Spezifika

4.3.1 Das Sachvermächtnis

 

Rz. 240

Handelt es sich bei dem Gegenstand um eine Immobilie (oder allgemein: um ein Wirtschaftsgut, bei dem Verkehrswert und Steuerwert abweichen), stellt sich sogleich die Frage, welcher Wert für die Erbschaftsteuer anzusetzen ist. So kommen (kamen) bei hinreichend konkretisierten Grundstücksvermächtnissen dem Vermächtnisnehmer, der seinen Erwerb von Todes wegen nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sofort mit dem Tode des Erblassers (und nicht erst mit der Anforderung, d. h. der Geltendmachung des Anspruchs) versteuern muss, die Bewertungsvorteile des Steuerwerts ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Preißer, Erbschaft- und Schenkungsteuer (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?