Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
Rz. 23
Unter einem Vermächtnis versteht man die Zuwendung eines Vermögensvorteils durch den Erblasser an einen anderen, der von ihm nicht als Erbe eingesetzt wird (vgl. § 1939 BGB). Allerdings kann auch ein Miterbe hinsichtlich der Zuwendung eines bestimmten Gegenstands Vermächtnisnehmer sein. Ein Vermächtnis setzt stets eine Verfügung von Todes wegen (z. B. ein Testament, vgl. § 1939 BGB) voraus. Der dadurch Bedachte (Vermächtnisnehmer) hat das Recht, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstands zu fordern (§ 2174 BGB). Der Anspruch aus dem Vermächtnis entsteht i. d. R. mit dem Erbfall, der Entstehungszeitpunkt kann aber auch, z. B. durch die Verknüpfung mit einer aufschiebenden Bedingung, auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben werden. Die Wirksamkeit eines Vermächtnisses setzt nicht voraus, dass der Bedachte dadurch bereichert wird. Sie wird z. B. nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Vermächtnisnehmer durch eine mit dem Vermächtnis verbundene Auflage belastet wird, selbst wenn diese Belastung den durch das Vermächtnis zugewendeten Vermögensvorteil vollständig aufzehren sollte. Auch das Verlangen des Erblassers, dass der Vermächtnisnehmer sich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten hat, lässt die Wirksamkeit des Vermächtnisses unberührt (vgl. BFH v. 31.10.1984, BStBl II 1985, 59). In aller Regel sind die Erben mit dem Vermächtnis beschwert, es kann aber auch den Vermächtnisnehmer treffen (Untervermächtnis, Auflage; vgl. §§ 2147, 2148 BGB).
Neben dem Vermächtnis kennt das bürgerliche Recht noch das Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB). Bei einem Vorausvermächtnis muss sich der Miterbe den ihm im Wege des Vermächtnisses zugewendeten Gegenstand nicht auf seinen Erbteil anrechnen lassen. Das Vorausvermächtnis ist von dem Fall zu unterscheiden, bei dem der Anteil des Erben am Nachlass unverändert bleiben soll (bloße Teilungsanordnung). Hier hat der betreffende Erbe einen entsprechenden Ausgleich für den Mehrwert des zugewendeten Gegenstands zu erbringen.
Der Eigentumswechsel bezüglich eines im Wege eines Vermächtnisses oder Vorausvermächtnisses erworbenen Grundstücks muss durch Auflassung und Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch vollzogen werden (§§ 873 Abs. 1 und 925 BGB).
Erbschaftsteuerrechtlich stellt der Erwerb durch Vermächtnis einen Erwerb von Todes wegen dar (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 – 3. Alt. – ErbStG). Die Erbschaftsteuer entsteht wie beim Erbanfall entweder mit dem Tode des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) oder bei Vermächtnissen unter einer aufschiebenden Bedingung mit dem Eintritt der Bedingung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG). Die Abfindung für die Ausschlagung eines Vermächtnisses gilt ebenfalls als Erwerb von Todes wegen (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG). Die Erbschaftsteuer entsteht hier im Zeitpunkt der Ausschlagung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1f ErbStG).
Grunderwerbsteuerrechtlich von Bedeutung sind nur die Fälle, in denen Vermächtnisgegenstand ein Grundstück ist. Grundlage des Übereignung des Grundstücks ist das Vermächtnis, sodass erst die Auflassung des Grundstücks den grunderwerbsteuerbaren Tatbestand darstellt (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG). Der grunderwerbsteuerliche Tatbestand und der Zeitpunkt seiner Verwirklichung unterscheiden sich daher von der entsprechenden erbschaftsteuerlichen Sichtweise. Gleichwohl geht man hier für die Auflassung – nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift – von einem gem. § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreiten Rechtsvorgang aus. Grunderwerbsteuerlich relevant sind auch die Fälle, in denen dem Vermächtnisnehmer als Ersatz für seinen Vermächtnisanspruch oder als Abfindung für die Ausschlagung des Vermächtnisses das Eigentum an einem Grundstück übertragen wird. Auch sie sind jedoch – als Ersatztatbestände i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG – nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerbefreit.
Die Befreiung des § 3 Nr. 2 GrEStG bleibt auch dann uneingeschränkt erhalten, wenn das im Wege des Vermächtnisses zugewendete Grundstück (z. B. mit einer Hypothek) belastet ist. Wegen der klaren Verweisung in § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG auf Erwerbe von Todes wegen scheidet eine (teilweise) Besteuerung in Höhe der Belastung aus. Auch eine Besteuerung nach § 3 Nr. 2 S. 2 GrEStG ist nicht möglich. Diese Vorschrift bezieht sich schon nach ihrem Wortlaut nur auf Schenkungen unter Lebenden (vgl. BFH v. 13.3.1974, II R 52/66, BStBl II 1974, 555). Etwaige den Bedachten belastende Auflagen oder Untervermächtnisse beeinflussen die Befreiung ebenso wenig wie ein von diesem ggf. nach dem Willen des Erblassers zu zahlender, unter dem Verkehrswert des Grundstücks liegender Aufpreis (vgl. BFH v. 21.7.1993, II R 118/90, BStBl II 1993, 765).
Rz. 24
Steuerfrei nach § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG ist auch der Erwerb eines nicht zum Nachlass gehörenden Grundstücks, das der Beschwerte dem Bedachten nach dem Willen des Erblassers verschaffen muss – "Verschaffungsvermächtnis" – (§ 2170 Abs. 1, § 2169 Abs. 1 BGB), es sei denn, das zu verschaffende Grundstück steht im Eigentum eines Dritten. Nicht befreit ist der Grundstück...