Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer bei Ausübung eines durch Vermächtnis erlangten Vorkaufsrechts
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch die Einräumung eines dinglichen Vorkaufsrechts i.S.des § 1094 BGB kann als Gestaltungsrecht Gegenstand eines Vermächtnisses sein.
2. Übt der Vermächtnisnehmer das Vorkaufsrecht aus, so unterliegt der Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer und ist nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerfrei, da das Grundstück nicht durch Erwerb von Todes wegen i.S. des ErbStG erworben wurde; Gegenstand des Vermächtnisses ist nicht das Grundstück selbst, sondern nur das Vorkaufsrecht als Gestaltungsrecht.
3. Die Einräumung eines Vorkaufsrechts durch letztwillige Verfügung unterscheidet sich maßgeblich von einem Kaufrechtsvermächtnis zu einem Preis unter dem Verkehrswert.
4. Es besteht keine Veranlassung, den Erwerb eines Grundstücks durch Ausübung eines durch Vermächtnis erworbenen Vorkaufsrechts dem Grundstückserwerb von Todes wegen gleichzusetzen, denn das Vermächtnis unterliegt mangels Bereicherung nicht der Erbschaftsteuer.
5. Ist ein ursprünglich zum Nachlass gehörendes Grundstück aus diesem ausgeschieden, so kann eine spätere Übertragung an einen Miterben nicht mehr nach § 3 Nr. 3 GrEStG begünstigt sein.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 2 S. 1, Nr. 3; ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 1094, 2147
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Erwerb eines Grundstücks durch Ausübung eines – durch Vermächtnis erworbenen – dinglichen Vorkaufsrechts gemäß § 3 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) von der Besteuerung ausgenommen ist.
Mit notariellem Testament vom 2. Oktober 2003 setzte die Mutter der Klägerin ihre drei Kinder als Erben zu gleichen Teilen ein. Nach § 3 Nr. 1 des Testaments erhielten die beiden Geschwister der Klägerin als Vorausvermächtnis ohne Anrechnung auf den Erbteil das Hausgrundstück FlSt.-Nr. 000/1, Gebäude- und Freifläche, Straße 9 in X (Hausgrundstück) und das landwirtschaftliche Grundstück FlSt.-Nr. 999/3 zu je ½ Miteigentumsanteil. Die Klägerin erhielt vermächtnisweise an dem Hausgrundstück ein dingliches Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen, das auf Kosten der Begünstigten im Grundbuch abzusichern war.
Nachdem die Erblasserin am 16. Oktober 2003 verstorben war, übertrugen die Erben mit Vermächtniserfüllungsvertrag vom 17. Februar 2004 das Eigentum an den Grundstücken auf die beiden Geschwister der Klägerin. Gleichzeitig erfolgte die Eintragung des dinglichen Vorkaufsrechts im Grundbuch.
Am 5. Juli 2004 verkauften die Geschwister der Klägerin das Hausgrundstück – unter ausdrücklichem Hinweis auf das bestehende Vorkaufsrecht – zum Kaufpreis von 255.000 Euro an Dritte. Daraufhin übte die Klägerin am 13. September 2004 ihr Vorkaufsrecht aus und erwarb das Grundstück.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA) beurteilte diesen Vorgang als einen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Grundstückskauf und setzte durch Bescheid vom 24. September 2004 Grunderwerbsteuer in Höhe von 8.925,00 Euro fest.
Mit Schreiben vom 11. Oktober 2004 erhob die Klägerin Einspruch. Zur Begründung wies sie zunächst darauf hin, dass ein Mitarbeiter des FA ihr vor der Ausübung des Vorkaufsrechts mündlich die Auskunft erteilt habe, dass dieser Erwerb steuerbefreit sei. Diese Aussage sei wesentlicher Bestandteil ihrer Kaufpreisfinanzierung gewesen. Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 26. Januar 2005 ließ sie ergänzend vortragen, dass die Rechtsprechung bisher nicht geklärt habe, wie die Einräumung und Ausübung eines Vorkaufsrechts grunderwerbsteuerlich zu behandeln sei. Die Klägerin habe noch zu Lebzeiten ihrer Mutter das Nachbargrundstück FlSt.-Nr. 000 erhalten, welches sie zusammen mit ihrem schwerkranken Sohn bewohne. Um zu gewährleisten, das jedes ihrer drei Kinder gleichmäßig im Falle ihres Todes bedacht werde, habe die Erblasserin die Konstruktion der Einräumung eines Vorkaufsrechts gewählt, um Streitigkeiten zwischen den Erben über die Höhe des Verkehrswerts des Hausgrundstücks zu vermeiden. Hilfsweise wurde der Erlass der festgesetzten Grunderwerbsteuer beantragt. Bei dem streitigen Sachverhalt handele es sich um eine Regelungslücke, die vom Gesetzgeber weder gesehen noch beabsichtigt worden sei. Das Gesetz enthalte eine unbillige Härte, denn die Klägerin leite wie jeder andere Erbe das Eigentum an dem Grundstück unmittelbar von der Erblasserin her.
Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2005 wies das FA den Einspruch zurück. Zur Begründung führte es aus, dass die Zuwendung des Rechts, ein Grundstück vom Erben zum Verkehrswert zu kaufen, keinen Zuwendungscharakter, sondern bloße instrumentale Bedeutung habe. Das Rechtsgeschäft unterliege nach § 1 Abs. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer.
Am 6. Juni 2005 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Beg...