Dipl.-Kffr. Christina Vosseler, Francoise Dammertz
Rz. 91
Der § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG ist nur schwer lesbar. Es stellt sich die Frage der genauen Ermittlung des relevanten Verwaltungsvermögens. Um die Vorschrift besser verstehen zu können, hilft es, sich gedanklich das Wort "Anwendung" an einigen Stellen des Satzes hinzuzudenken. Korrekt müsste es heißen:
„…wenn das Verwaltungsvermögen nach Abs. 4
- vor der Anwendung des Abs. 3 S. 1 (Altersversorgungsvermögen)
- sowie der Anwendung der Schuldenverrechnung und der Anwendung des Freibetrages nach Abs. 4 Nr. 5
- sowie der Anwendung der Absätze 6 und 7
mindestens 90 % des gemeinen Werts des begünstigungsfähigen Vermögens beträgt.”
Rz. 92
Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 4 ErbStG
Gemäß dem Wortlaut des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG errechnet sich das Verwaltungsvermögen für den 90 %-Test anhand § 13b Abs. 4 ErbStG.
§ 13b Abs. 3 ErbStG nimmt Vermögen, welches ausschließlich und dauerhaft der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen dient und dem Zugriff aller übrigen nicht aus den Altersversorgungsverpflichtungen unmittelbar berechtigten Gläubiger entzogen ist, bis zur Höhe des gemeinen Werts der Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen vom Verwaltungsvermögen aus. Diese Regel wird im Rahmen des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG eingeschränkt, da für den 90 %-Test nur solche AV-Verpflichtungen berücksichtigt werden, welche durch Treuhandverhältnisse abgesichert sind (§ 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG). Diese abweichenden Voraussetzungen erschweren die Les- und Handbarkeit des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG (s. Kirnberger in Wilms/Jochum, ErbStG, § 13b, Rn. 50). Im Gegensatz zum § 13b Abs. 3 ErbStG findet im Rahmen des 90 %-Tests keine Begrenzung auf die Höhe des gemeinen Werts der Schulden statt. Die Finanzverwaltung berücksichtigt die gesonderten Voraussetzungen des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG hinsichtlich der Absicherung durch Treuhandverhältnisse nicht (s. R E 13b.10 S. 5 ErbStR). Es wird schlicht auf den § 13b Abs. 3 ErbStG verwiesen.
Im Rahmen des 90 %-Tests wird der Bruttowert des Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG) zugrunde gelegt (vgl. hierzu auch H 13b.9 ErbStH Bsp. 1 und 2), Schulden werden nicht von den Finanzmitteln abgezogen. Demgegenüber ist bei der Berechnung des unschädlichen Verwaltungsvermögens von 10 % nach § 13b Abs. 7 ErbStG nach dem eindeutigen Wortlaut der Nettowert zu erfassen. Für die Praxis ist festzuhalten, dass Verwaltungsvermögen bei § 13b ErbStG nicht gleich Verwaltungsvermögen ist:
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- bei § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG (90 %-Test) ist vom Bruttowert auszugehen;
- bei § 13b Abs. 7 ErbStG (10 %iger Unschädlichkeitsbetrag) ist vom Nettowert auszugehen; ebenso bei der Ermittlung des schädlichen Verwaltungsvermögens.
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Gem. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG gelten 15 % der Finanzmittel nicht als Verwaltungsvermögen, soweit sie 15 % des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens des Betriebs oder der Gesellschaft nicht übersteigen. Dieser 15 %-Puffer kommt im Rahmen des 90 %-Tests nicht zum Tragen.
- vor Anwendung der Absätze 6 und 7
§ 13b Abs. 6 ErbStG regelt die Verrechnung des Verwaltungsvermögens mit den Schulden, die nach Anwendung von § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG noch verbleiben. Gem. § 13b Abs. 7 ErbStG wird der Nettowert des Verwaltungsvermögens wie begünstigtes Vermögen behandelt, soweit er 10 % des um den Nettowert des Verwaltungsvermögens gekürzten gemeinen Werts des Betriebsvermögens nicht übersteigt (unschädliches Verwaltungsvermögen). Der Verwaltungsvermögenstest findet vor der anteiligen Schuldenverrechnung gem. § 13b Abs. 6 ErbStG statt; außerdem wird der 10 %-Kulanzpuffer des § 13b Abs. 7 ErbStG nicht berücksichtigt (Hannes/Holtz in M/H/H, ErbStG, § 13b, Rn. 44).