Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Preißer
Rz. 60
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG gelten als Inländer auch deutsche Staatsangehörige, die sich seit dem Wegzug weniger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufhalten. In diesen Fällen wird somit ausnahmsweise auf die Staatsangehörigkeit abgestellt.
Rz. 61
Ziel der Vorschrift ist es, Steuerumgehungen durch kurzfristige Wohnsitzverlegungen zu verhindern.
Rz. 62
Voraussetzungen für die Anwendung der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht sind:
- Die natürliche Person hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Eine gleichzeitig bestehende weitere Staatsangehörigkeit ist ohne Auswirkungen.
- Es besteht im Zeitpunkt der Steuerentstehung kein Wohnsitz im Inland.
- Innerhalb der letzten fünf Jahre bestand ein Wohnsitz im Inland.
Rz. 63
Die Bezeichnung "erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht" ist missverständlich, da nicht der Umfang der Steuerpflicht erweitert, sondern lediglich die zeitliche Anwendung der unbeschränkten Steuerpflicht verlängert wird. Aus diesem Grund findet sich für diese Fallgruppe auch häufig die Bezeichnung "verlängerte unbeschränkte Steuerpflicht".
Rz. 64
Eine unbeschränkte Steuerpflicht tritt sowohl dann ein, wenn der Erblasser oder Schenker seinen Wohnsitz verlegt hat, als auch dann, wenn der Erwerber in den vergangenen fünf Jahren ins Ausland verzogen ist. Vom Zeitpunkt des Erbfalls oder der Ausführung der Zuwendung ist fünf Jahre zurückzurechnen.
Rz. 65
Ein gewöhnlicher Aufenthalt innerhalb der letzten fünf Jahre reicht für die Anwendung der Vorschrift nicht, sondern es muss ein aufgegebener Wohnsitz bestanden haben. Dieser kann allerdings auch nur für kurze Zeit begründet worden sein (s. Jülicher in T/G/J/G, § 2 Rn. 21). Eine Begründung eines inländischen Wohnsitzes während der Fünfjahresfrist führt dazu, dass die Frist bei erneuter Aufgabe des Wohnsitzes von Neuem läuft.
Rz. 66
Nach einer Entscheidung des EuGH vom 23.02.2006 (HFR 2006, 526) zum niederländischen Recht, das eine Zehnjahresfrist beim Wegzug vorsieht, ist davon auszugehen, dass die Vorschrift nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstößt. Dies gilt insb. nach der EuGH-Entscheidung i. S. Block vom 12.02.2009, DStR 2009, 373 sowie FG München vom 03.07.2019, EFG 2020, 684). Im Klartext besteht in diesen Fällen das Risiko einer Doppelbesteuerung ohne gemeinschaftsrechtliche Sanktion.
S. auch die Zehnjahresfrist für Wegzügler in die USA (ZuStG vom 15.09.2000).
Rz. 67
Hinweis: Die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht kann vermieden werden, indem die deutsche Staatsangehörigkeit aufgegeben wird. Bei Schenkungen kann außerdem die Fünfjahresfrist abgewartet werden. Zu beachten ist, dass die deutsche Besteuerung, sofern sich nicht aus Doppelbesteuerungsabkommen Abweichendes ergibt, nur verhindert werden kann, wenn Erblasser/Schenker und Erwerber seit mehr als fünf Jahren ihren inländischen Wohnsitz aufgegeben haben und kein Inlandsvermögen geschenkt wird.
Erfasst sind neben den deutschen Staatsangehörigen auch Doppelstaatler (vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB).
Rz. 68–71
vorläufig frei