Rz. 110
Die Rechtsfolge des Eintritts einer der auflösenden Bedingung führt direkt zum Widerruf des Erlasses der nach der Verschonungsbedarfsprüfung festgesetzten Steuer. Dieser Widerruf, bei dem die FinVerw keinen Ermessensspielraum hat, stellt einen neuen Verwaltungsakt in Form eines eigenen Steuerbescheides dar. Der Widerruf wirkt für die Vergangenheit.
In § 28a Abs. 4 Satz 2 ErbStG ist festgehalten, dass der gesamte Steuerbescheid des Erlasses nach § 28a Abs. 1 ErbStG unter dem Vorbehalt des Widerrufs nach § 120 Abs. 2 Nr. 3 AO steht. Das bedeutet, dass im Zusammenwirken von § 28a Abs. 4 Satz 2 ErbStG und § 120 Abs. 2 Nr. 3 AO kein Ermessen auf einen Widerrufsvorbehalt besteht, sondern der Widerrufsvorbehalt bereits gesetzlich angeordnet ist. Die FinVerw hat keinen Ermessensspielraum. Diesen hat sie auch beim Widerruf gem. § 28a Abs. 4 Satz 3 ErbStG nicht, denn danach ist der Verwaltungsakt bei Bedingungseintritt stets zu widerrufen.
Rz. 111
Der in § 28a Abs. 4 Satz 3 HS 2 ErbStG enthaltene Verweis auf § 131 Abs. 4 AO ist insofern nur begrenzt zielführend. Danach entscheidet über einen Widerruf nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige FinBeh; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen FinBeh erlassen worden ist. Da das Ermessen der FinVerw zum Widerruf auf null reduziert ist, handelt es sich lediglich um eine Anordnung der örtlichen Zuständigkeit, nicht jedoch um eine Regelung der Ausübung des Ermessens an sich. Mit dem Widerruf entfällt kraft Gesetzes rückwirkend die Erlöschenswirkung des Erlasses (vgl. § 47 AO). Satz 2 verdrängt daher insoweit § 131 Abs. 2 AO, der den Widerruf eines im Zeitpunkt seines ursprünglichen Ergehens rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes nur mit Wirkung für die Zukunft zulässt.
Rz. 112
Der Verwaltungsakt ist nach § 28a Abs. 4 Satz 3 HS 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit "ganz oder teilweise" zu widerrufen. Hier wird der FinVerw die Möglichkeit eröffnet, bei Bedingungseintritt nicht den gesamten Steuerbescheid über den Erlass nach der ersten Verschonungsbedarfsprüfung zu widerrufen, sondern vielmehr nach dem Bedingungseintritt eine neue Verschonungsbedarfsprüfung vorzunehmen, um so festzustellen, inwieweit nunmehr ein Erlass möglich sei. Dies erscheint jedoch rein theoretischer Natur, denn die Verschonungsbedarfsprüfung wird nach § 28a Abs. 1 ErbStG nur auf Antrag des Steuerpflichtigen durchgeführt. Diesen Antrag wird er jedoch erst stellen, wenn der ursprüngliche Steuerbescheid widerrufen wurde und es somit zu einer höheren Steuerfestsetzung gegen ihn kommen wird. Die Abwicklung des Widerrufs bleibt daher zunächst fraglich. Eine klarstellende, einheitliche Verwaltungsanweisung wäre an dieser Stelle wünschenswert. Eine Regelung in den Erbschaftsteuerrichtlinien ist dazu nicht enthalten.