Rz. 110

Ab Mitte der 1990er-Jahre, d. h. mit dem Inkrafttreten der alten Begünstigungsregelung für Produktivvermögen (vgl. § 13a ErbStG a. F.), wurde im Rahmen der Nachfolgegestaltung immer wieder von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, (nicht betriebsnotwendiges) Privatvermögen im Rahmen einer Betriebsoption zu sog. gewillkürtem Betriebsvermögen umzugestalten. Immer schon bestand die Möglichkeit, durch die Rechtsform der GmbH & Co. KG private Vorgänge aufgrund der gewerblichen Prägung oder der Abfärbetheorie nach § 15 Abs. 3 EStG zu betrieblichen Geschäftsvorfällen umzufunktionieren und Privatvermögen in Betriebsvermögen umzuwidmen (Hauptfall: gewerbliche Bauherren- und -erwerber-Modelle, gewerbliche Mietshäuser oder später auch die Cash-GmbH). Dieses nicht produktive Vermögen, das in erster Linie der weitgehend risikolosen Renditeerzielung dient und i. d. R. weder die Schaffung von Arbeitsplätzen noch zusätzliche volkswirtschaftliche Leistungen bewirkt, sollte nach der Zielsetzung dieses Gesetzes weitestgehend nicht begünstigt werden.

 

Rz. 111

Die gesetzestechnische Umsetzung der Zielrichtung mündete ursprünglich in den sog. 50 %-Test (bei der Grundoption Regelverschonung bzw. bei der Alternative Optionsverschonung der 10 %-Test) und hat zu § 13b Abs. 4 ErbStG in der bis 2016 geltenden folgenden Fassung geführt:

  1. Beträgt der Anteil des Verwaltungsvermögens mehr als 50 % vom gesamten Betriebsvermögen, dann ist das gesamte betroffene Betriebsvermögen von der Begünstigung ausgeschlossen.
  2. Beträgt der Anteil des Verwaltungsvermögens weniger als oder gleich 50 % vom gesamten Betriebsvermögen, dann ist das ganze Betriebsvermögen begünstigt unter der Voraussetzung, dass es sich zum maßgeblichen Zeitpunkt mindestens zwei Jahre im Betrieb befunden hat.
 

Rz. 112

Das Bundesverfassungsgericht stellte mit seinem Urteil vom 17.12.2014 die Verfassungswidrigkeit der Verschonungsreglungen des Erbschaftsteuergesetzes fest., da die §§ 13a und 13b ErbStG gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG verstießen. Unter anderem hielten die Richter den Verwaltungsvermögenstest für gleichheitswidrig, da der 50 %-Test dazu führt, dass ein Unternehmen, das die Schwelle knapp unterschreitet, anders behandelt wird als ein Unternehmen, das die Schwelle knapp überschreitet. Daraus folgte ein "Alles-oder-nichts"-Prinzip, wonach ein Unternehmen, welches die Grenze knapp unterschritt, in den Genuss der Begünstigung für das Betriebsvermögen inklusive des Verwaltungsvermögens kam, während im anderen Fall keine Begünstigung anfiel (Vgl. BVerfG vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, DStR 2015, 31, Rz. 231ff.)

 

Rz. 113

Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 30.6.2016 zu treffen. Zu Beginn der Beratungen zum aktuellen Erbschaftsteuergesetz nahm das BMF die Abgrenzung zwischen begünstigungsfähigem und nicht verschonungsbedürftigem Vermögen nach dem Hauptzweck vor. Danach sollte ausnahmslos die Entscheidung danach getroffen werden, ob der jeweilige Gegenstand zum Hauptzweck des Unternehmens i. S. d. § 13b Abs. 1 ErbStG gehört. Der Gesetzgeber ist in 2016 hiervon abgerückt und führt – leicht verändert – den Verwaltungsvermögens-Katalog fort. Außerdem ist die ursprüngliche Aussage, dass Geld als solches nicht als Verwaltungsvermögen behandelt wird, schon im Jahr 2013 einer neuen Beurteilung gewichen, die in § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG einem neuen Finanzmitteltest Platz gemacht hat. Der Finanzmitteltest in § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a a. F.) wurde neu eingefügt durch Art. 30 des AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.2013. Mit diesem wurde eine echte Neuerung mit dem Ziel eines Ausschlusses der Cash-Gesellschaften und weiterer Geld-Gesellschaften geschaffen.

 

Rz. 114

Eine weitere wesentliche Neuerung der Neufassung im Jahr 2016 war, dass der bis dahin geltende Alles-oder-nichts-Test dergestalt ersetzt wurde, dass das Verwaltungsvermögen im aktuellen Erbschaftsteuerrecht grundsätzlich der Besteuerung unterliegt und nur noch das produktive Vermögen von der Verschonung für das Betriebsvermögen profitieren kann. Vorgeschaltet wird der 90 %-Test, so dass die Verschonung nur gewährt wird, wenn das Verwaltungsvermögen vor Schuldenverrechnung weniger als 90 % des gemeinen Wertes des Betriebsvermögens beträgt (§ 13b Abs. 2 ErbStG).

 

Rz. 115

Der Verwaltungsvermögenskatalog des § 13b Abs. 4 ErbStG umfasst die folgenden Vermögenswerte, der Katalog ist abschließend und nicht exemplarisch:

  • Nr. 1 Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke
  • Nr. 2 Anteile an Kapitalgesellschaften von bis zu 25 %
  • Nr. 3 Kunstgegenstände und andere Gegenstände der privaten Lebensführung
  • Nr. 4 Wertpapiere und vergleichbare Forderungen
  • Nr. 5 Finanzmittel
 

Rz. 116

Das Verwaltungsvermögen ist für jede wirtschaftliche Einheit gesondert zu prüfen (R E 13b.12 Abs. 1 S. 2 ErbStR). Für die Entscheidung, ob Verwaltungsvermögen vorliegt, sind die Verhältnisse im Besteuerungszeitpunkt maßgebend, und zwar beim Erblasser oder Schenker (R E 13b.12 Abs. 2 S. 1 und 2 E...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Preißer, Erbschaft- und Schenkungsteuer (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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