Dipl.-Kffr. Christina Vosseler, Francoise Dammertz
Rz. 182
Zudem ist die steuerliche Privilegierung an das Erfordernis eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs i. S. d. § 14 AO geknüpft. § 14 AO stellt ab auf eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht.
Rz. 183
Ob der Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs quantitativ oder qualitativ auszulegen ist, ist umstritten. Die Finanzverwaltung legt den Begriff quantitativ aus und fordert eine entsprechend große Anzahl von Wohnungen (vgl. Stalleiken in von Oertzen/Loose ErbStG § 13b Rz. 132). Aus R E 13b.17 Abs. 3 S. 1 ErbStR lassen sich die qualitativen Indizien entnehmen, welche für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs sprechen:
- Umfang der Geschäfte,
- Unterhalten eines Büros,
- Buchführung zur Gewinnermittlung,
- umfangreiche Organisationsstruktur zur Durchführung der Geschäfte,
- Bewerbung der Tätigkeit,
- Anbieten der Dienstleistung/der Produkte einer breiteren Öffentlichkeit gegenüber.
Die Finanzverwaltung geht regelmäßig vom Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs aus, wenn das Unternehmen mehr als 300 eigene Wohnungen hält (vgl. R E 13b.17 Abs. 3 S. 2 ErbStR).
Rz. 184
Dieser Verwaltungsauffassung hat der BFH eine Absage erteilt (BFH 24.10.2017, BStBl. II 2018, 358, ZEV 2018, 219), indem er die die Relevanz der 300-Wohnungen-Grenze verneinte und den gewerblichen Charakter der Vermietungstätigkeit als Prüfungsmaßstab in den Vordergrund stellte.
Folglich legt der BFH den Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs qualitativ aus. Die Antwort der Finanzverwaltung auf die Rechtsprechung des BFH war jedoch ein Nichtanwendungserlass (Oberste Finanzbehörden d. Länder Erl. vom 23.04.2018, ZEV 2018, 428) und anschließend die unveränderte Übernahme der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung in den ErbStR (vgl. Korezkij, DStR 2021, 145). Das BFH Urteil wurde auch im Schrifttum fast ausschließlich kritisch gesehen (Escher BB 2018, 600; von Oertzen/Reich DStR 2018, 1155; Scheffler/Blank DStR 2018, 2538; Schönfeld/Riedel FR 2018, 341; A. Söffing/Reich DB 2018, 479; Wighardt NZG 2018, 377). Der BFH habe zur Überraschung der Praxis den Begriff des Wohnungsunternehmens dahingehend ausgelegt, dass eine originär gewerbliche (Vermietungs-)Tätigkeit erforderlich sei. Zudem wurde dem BFH zur Last gelegt, dass die Rückausnahme praktisch leer zu laufen drohe (vgl. Kraft, ZEV 2021, 550 (553–554). Die BFH-Rechtsprechung wurde durch das FG Münster bestätigt (s. FG Münster vom 25.06.2020, DStRE 2021, 221). Die Revision wurde zurückgenommen, vgl. https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Fents%2Fbeckverf%2Fbfh%2Fcont%2Fbeckverf.bfh.vf93334434.htm&anchor=Y-200-GE-BFH-AZ-IIR2020
Rz. 185
Die Finanzverwaltung hat sich weiterhin zu der Frage positioniert, inwieweit Wohnimmobilien im Eigentum von vermögensverwaltenden Gesellschaften und Bruchteilsgemeinschaften bei der Abgrenzung und der Begünstigung eines Wohnungsunternehmens Berücksichtigung finden können (vgl. LfSt Bayern, Vfg. vom 08.07.2020, DStR 2020, 2024). Die Prüfung der 300-Wohnungen-Grenze hat auf der Ebene der Muttergesellschaft zu erfolgen, so dass Wohnungen, die über vermögensverwaltende Personengesellschaften und Bruchteilsgemeinschaften vermittelt werden, keine Berücksichtigung finden. Für Wohnungen in (gewerblichen) Schwester- oder Tochtergesellschaften innerhalb eines Konzerns gilt dies ebenfalls. Zudem gelten die über vermögensverwaltende Personengesellschaften und Bruchteilsgemeinschaften gehaltene Wohnungen als Verwaltungsvermögen, ganz gleich, ob die Muttergesellschaft die 300-Wohnungen-Grenze überschreitet und somit als Wohnungsunternehmen gilt (vgl. LfSt Bayern, Vfg. vom 08.07.2020, DStR 2020, 2024 sowie Korezkij, DStR 2021, 145 (147)).
Rz. 186
Ferner hat der BFH in seinem Beschluss vom 29.08.2019 darauf hingewiesen, dass eine analoge Anwendung der §§ 13a und 13b ErbStG auf den im Privatvermögen des Erblassers gehaltenen, vererbten Mietwohnbestand ausscheidet, denn der Gesetzgeber habe unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass Mietwohnbestand im Privatvermögen in deutlich geringerem Maße zu begünstigen ist, als solches, welches im Betriebsvermögen gehalten wird (vgl. BFH vom 29.08.2019 ZEV 2020, 62).
Rz. 187
Aus R E 13b.17 Abs. 4 S. 1 ErbStR ergibt sich, dass der notwendige wirtschaftliche Geschäftsbetrieb nicht direkt bei dem Betrieb vorliegen muss, welcher übertragen wird bzw. an dem eine Beteiligung oder Anteile übertragen werden. Ist ein entsprechend umfangreicher Wohnungsbestand vorhanden, liegt z. B. auch dann ein Wohnungsunternehmen vor, wenn die Vermietung und Verwaltung der eigenen Wohnungen
- im Rahmen einer Betriebsaufspaltung durch das Betriebsunternehmen erfolgt,
- durch ein Unternehmen erfolgt, an dem das Unternehmen, in dessen Eigentum sich die Immobilien befinden, beteiligt ist oder
- einem externen Dienstleistungsunternehmen übertragen wurde.
Wurde jedoch die Verwaltung der Immobilien, die n...