Rz. 260
Die Abzugsverbote des ErbStG beruhen auf verschiedenen Erwägungen. Die Abzugsverbote des § 10 Abs. 6 ErbStG sind das Pendant zu den Steuerbefreiungsvorschriften. Würde man den Schuldenabzug trotz (teilweiser) Steuerbefreiung der Vermögensgegenstände ungemindert zulassen, so würden sich Verzerrungen ergeben.
Rz. 261
Zentral für die Frage der Begrenzung des Schuldenabzugs nach Abs. 6 ist der Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Schulden und Vermögensgegenständen. Es ist umstritten, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Einigkeit besteht nur insoweit, dass allein die dingliche Belastung eines Gegenstandes nicht ausreicht, um den wirtschaftlichen Zusammenhang zu begründen (s. RFH vom 14.11.1935, RStBl 1935, 1465). Es besteht daher nicht automatisch ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen sicherungsübereigneten oder mit Pfandrechten belasteten Gegenständen und der gesicherten Forderung. Ein Teil des Schrifttums stellt für den wirtschaftlichen Zusammenhang in Anlehnung an die Einkommensteuer auf das Veranlassungsprinzip ab und bejaht diesen, wenn die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die diesen Vermögensgegenstand betreffen. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Vermögensgegenstand sei daher gegeben bei Schulden aus Kaufpreisforderungen den Gegenstand selbst betreffend, Prozesskostenschulden betreffend Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Vermögensgegenstand und Schulden aufgrund von Reparaturen an dem Gegenstand (s. Hannes/Holtz in M/H/H, § 10 Rn. 67; s. Schuck in V/S/W, § 10 Rn. 142). Gebel will den wirtschaftlichen Zusammenhang jedoch auf Fälle beschränken, in denen die Maßnahme auch zu einer Steigerung des Werts des (teilweise) steuerbefreiten Vermögensgegenstandes geführt hat (s. T/G/J/G, § 10 Rn. 250). Für diese Auffassung findet sich jedoch kein Anhaltspunkt im Gesetz, sie ist zu eng.
Rz. 262
Beim Nießbrauch besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit allen Gegenständen, auf denen der Nießbrauch lastet (s. Wälzholz, ZEV 2009, 438).
Rz. 263
Die Formulierung, der wirtschaftliche Zusammenhang müsse bereits am Bewertungsstichtag bestanden haben und dürfe nicht erst durch den stpfl. Erwerb verursacht worden sein (s. Hannes/ Holtz in M/H/H, § 10 Rn. 67 unter Bezug auf BFH vom 28.09.1962, BStBl III 1962, 535), ist missverständlich, denn es besteht z. B. ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Verpflichtung des Erben beim Sachvermächtnis, den Vermächtnisgegenstand auf den Vermächtnisnehmer zu übertragen und dem Gegenstand selbst.
Rz. 264
Soweit ein Schuldabzug bei der Schenkung unter Lebenden in Betracht kommt, sind auch dort die Abs. 6–9 entsprechend anwendbar. Allerdings muss bei der Schenkung der wirtschaftliche Zusammenhang nicht schon vor dem Erwerb bestanden haben. Bei der Schenkung unter Auflage ist es gerade der Wille des Schenkers, der den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Schuld und übertragenem Gegenstand herstellt.
Rz. 264a
Nach der bisherigen Fassung des § 10 Abs. 6 ErbStG (a. F.) sind demgemäß Schulden und Lasten nicht abzugsfähig, soweit sie im wirtschaftlichen Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die ganz oder teilweise von der Erbschafts- und Schenkungsteuer befreit sind. Die frühere Rspr. des BFH sah bei Pflichtteilsansprüchen einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem erworbenen Vermögen (vgl. BFH vom 21.07.1972, BStBl II 1973, 3), so dass dies dazu führte, dass die FinVerw in solchen Fällen wie auch bei güterrechtlichen Zugewinnausgleichansprüchen nur eine begrenzte Abzugsmöglichkeit gewährte. Dem war der BFH mit Urteil vom 22.07.2015 (BStBl II 2016, 230) entgegengetreten, in dem statuiert wurde, dass bei Pflichtteilsansprüchen und bei Zugewinnausgleichsansprüchen an den überlebenden Ehegatten kein wirtschaftlicher Zusammenhang vorliege. Dies soll sogar für auf Geld gerichtete Untervermächtnisse gelten. Damit konnten entsprechende Schulden und Lasten in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden, ungeachtet, ob zum Nachlass ganz oder teilweise steuerbefreite Gegenstände gehörten. Die Verwaltung ist dem zunächst gefolgt, indem sie mit Erlass vom 06.05.2016 (s. FinMin Baden-Württemberg vom 06.05.2016, BeckVerw 328829) aufgrund dieses BFH-Urteils die bis dahin geltenden Erlassregelungen zur Schuldenkürzung aufgehoben hat. Der BFH hat jedoch ebenfalls festgehalten, dass der Gesetzgeber ein allgemeines Abzugsverbot anordnen könne. Diesem ist der Gesetzgeber nun durch die Neuregelungen in § 10 Abs. 6 ErbStG im JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) gefolgt. So soll ein ungerechtfertigter doppelter steuerlicher Vorteil aus der Inanspruchnahme von Steuerbefreiungen und gleichzeitig ungekürztem Schuldenabzug vermieden werden.