Dr. Stefan Königer, Dennis Helwig
Rz. 141
Als schädliche Veräußerung gilt gem. § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 HS 2 ErbStG auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs. Dabei ist es irrelevant, ob die Aufgabe des Gewerbetriebs durch Entschluss des Steuerpflichtigen erfolgt oder, z. B. durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (R E 13a.13 Abs. 1 Satz 3 ErbStR), erzwungen wird (BFH vom 16.02.2005, BStBl II 2005, 571; vom 17.03.2010, II R 3/09, BStBl II 2010, 749; vom 26.02.2014, II R 36712, BStBl II 2014, 581). Für die schädliche Aufgabe des Gewerbebetriebs ist der Begriff der Betriebsveräußerung im EStG maßgebend (Geck in K/E, § 13a Rz. 123), sodass eine schädliche Verfügung in diesem Sinne abschließend nur dann vorliegt, wenn aufgrund eines Entschlusses des Steuerpflichtigen, den Betrieb aufzugeben, die bisher in diesem Betrieb entfaltete gewerbliche Tätigkeit endgültig eingestellt wird, alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang, d. h. innerhalb kurzer Zeit, entweder insgesamt klar und eindeutig, äußerlich erkennbar in das Privatvermögen überführt oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden oder einzeln an verschiedene Erwerber veräußert werden und dadurch der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört (Wacker in Schmidt, EStG, § 16 Rz. 150). Der Betriebsaufgabe nicht gleichgestellte Vorgänge, wie z. B. die Realteilung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG oder die Betriebsunterbrechung sowie die Betriebsverpachtung im Ganzen nach § 16 Abs. 3b EStG ohne ausdrückliche Erklärung der Aufgabe des Gewerbebetriebs, sind für Zwecke der Behaltensfrist unbeachtlich (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 272).
Rz. 142
Unschädlich ist auch die Umstrukturierung des Gewerbebetriebs dergestalt, dass dieser bzw. Teile davon kein begünstigtes Vermögen mehr darstellen, soweit durch die Umstrukturierung keine Veräußerung oder Betriebsaufgabe i. S. d. Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 vorliegt. Dies kann dann der Fall sein, wenn eine zum Stichtag nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a ErbStG begünstigte Betriebsaufspaltung innerhalb der Behaltensfrist beendet wird und durch die Beendigung der Betriebsaufspaltung keine Betriebsaufgabe i. S. d. EStG oder eine Zwangsentnahme des zum Stichtag begünstigten Vermögens in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen vorliegt (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 274; Geck in K/E, § 13a Rz. 118). Hintergrund ist die unterschiedliche Reichweite des § 13a Abs. 6 und des § 13b. Denn während § 13b ErbStG die Begünstigung des Betriebsvermögens zum jeweiligen Übertragungsstichtag zum Gegenstand hat, d. h. im Rahmen des § 13b ErbStG eine Stichtagsbetrachtung vorzunehmen ist, beziehen sich die Behaltensregelungen des § 13a Abs. 6 ErbStG auf den Zeitraum nach dem Übertragungsstichtag (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 273). Soweit ein Vorgang daher nicht den Tatbestand einer in § 13a Abs. 6 ErbStG aufgeführten schädlichen Verfügung des Steuerpflichtigen erfüllt, kommt es insoweit auch zu keinem rückwirkenden Wegfall des Verschonungsabschlags und des Abzugsbetrags.
Rz. 143
Praxishinweis:
Soll ein Gewerbebetrieb aufgegeben werden, weil der Steuerpflichtige den Entschluss gefasst hat, diesen nicht weiter fortzuführen, sollte im Rahmen eines Steuerbelastungsvergleichs ggf. überlegt werden, ob anstatt der Betriebsaufgabe das Vermögen des Gewerbebetriebs über einen längeren Zeitraum nach und nach veräußert wird. Ertragsteuerlich hat die Betriebsaufgabe zwar den Vorteil, dass für die Besteuerung des Aufgabegewinns die Tarifbegünstigung des § 34 EStG zur Anwendung kommt. Im Rahmen der Erbschaftsteuer hat die Betriebsaufgabe jedoch den rückwirkenden Wegfall des Verschonungsabschlags und des Abzugsbetrags zur Folge. Umgekehrt unterfällt die Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter ertragsteuerlich nicht der Tarifbegünstigung, während hinsichtlich der Behaltensfrist nach Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 Alt. 1 ErbStG nur in Bezug auf die Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen innerhalb der Nachsteuerfrist die erbschaftsteuerliche Verschonung rückwirkend wegfällt (s. hierzu Rz. 144 ff.) und zudem von der Abschmelzung nach Abs. 6 Satz 2 ErbStG profitiert werden kann (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 276).