Dr. Stefan Königer, Dennis Helwig
Rz. 220
Entsprechend dem Sinn und Zweck des Abs. 6, welcher die Fortführung des Betriebs durch den Erwerber sicherstellen und eine missbräuchliche Ausnutzung der Verschonungsregelungen (§§ 13a, 13b) verhindern soll (vgl. Rn. 145), kommt es gem. Abs. 6 Satz 3 im Falle eines Behaltensfristverstoßes zu keiner Nachversteuerung, wenn der Veräußerungserlös innerhalb der jeweils nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigten Vermögensart verbleibt (sog. Reinvestitionsklausel). Es wird zugunsten des Steuerpflichtigen die unwiderlegbare Vermutung aufgestellt, dass dieser die Verschonungsregelungen in keiner missbräuchlichen Absicht beansprucht hat und die Fortführung des Betriebs beabsichtigt. Der Behaltensfristverstoß wird durch die Reinvestition "geheilt". Die Reinvestitionsklausel findet jedoch nur bei einem Behaltensfristverstoß nach den Nr. 1, 2 und 4 Anwendung, nicht aber bei einem Verstoß gegen die Überentnahmeregelung. Eine Überentnahme nach Nr. 3 führt im Zeitpunkt der Feststellung der Überentnahme insoweit zum sofortigen Wegfall des Verschonungsabschlags und des Abzugsbetrags.
Rz. 221
Die Reinvestitionsklausel erfordert das Verbleiben des Veräußerungserlöses innerhalb der jeweils nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigten Vermögensart. Eine vom Bundesrat vorgeschlagene Gesetzesänderung, wonach auch eine Reinvestition in andere begünstigte Vermögensarten des § 13b Abs. 1 ErbStG möglich sein soll, wurde von der Bundesregierung mit Hinweis auf den historischen Willen des Gesetzgebers abgelehnt (BT-Drs. 17/2823 vom 27.08.2010, 31 und 40). Somit ist keine vermögensübergreifende Investition möglich, was bedeutet, dass der Erlös aus der Veräußerung einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage eines Gewerbebetriebs i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nur in entsprechendes Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG reinvestiert werden darf. Eine Entnahme des Veräußerungserlöses aus einer Personengesellschaft und die Reinvestition in Anteile i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG führen nicht zur Heilung des Behaltensfristverstoßes (so auch Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 418).
Rz. 222
Die Formulierung in Abs. 6 Satz 3 ("innerhalb der jeweils nach § 13b Absatz 1 begünstigungsfähigen Vermögensart") ist u. E. weit zu verstehen. Dies bedeutet zunächst, dass eine Reinvestition des Veräußerungserlöses bei der Veräußerung einzelner funktional wesentlicher Betriebsgrundlagen nicht zwingend in identische oder vergleichbare Wirtschaftsgüter erfolgen muss (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 418). Auch kann z. B. der Erlös aus der Veräußerung einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage des begünstigt erworbenen Betriebs in einem anderen Betrieb des Erwerbers investiert werden, der nicht denselben Nachsteuerbindungen unterliegt, soweit es sich bei dem anderen Betrieb um Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG handelt (gl. A. Stalleiken in vO/L, § 13a Rz. 209). Dies gilt entsprechend für land- und forstwirtschaftliches Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und Anteile an Kapitalgesellschaften i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. Soweit in der Literatur eine andere Auffassung mit der Begründung vertreten wird, dass durch Reinvestition in nicht der Behaltensfrist unterliegendes Vermögen die Nachsteuerregelung umgangen würde (so Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 418), ist dem entgegenzuhalten, dass sich eine derart enge Auslegung dem Wortlaut der Reinvestitionsklausel nicht entnehmen lässt. Dieser fordert nämlich lediglich die Reinvestition in dieselbe nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigungsfähige Vermögensart, nicht jedoch in begünstigt erworbenes Vermögen. Einer solchen betriebsübergreifenden Reinvestition steht mangels eines Missbrauchsgedankens auch nicht der Sinn und Zweck des Abs. 6 entgegen, da der Veräußerungserlös nicht endgültig in das Privatvermögen des Erwerbers überführt wird. Anderenfalls wäre auch die Reinvestition des Erlöses aus der Veräußerung des gesamten Betriebs in einen gänzlich neuen Betrieb nicht möglich (so aber ausdrücklich R E 13a.18 Satz 2 ErbStR; vgl. auch Stalleiken in vO/L, § 13a Rz. 209). Bei der Veräußerung einzelner wesentlicher Betriebsgrundlagen und einer anschließenden betriebsübergreifenden Reinvestition sollte der Sachverhalt aber dennoch ggf. im Rahmen einer verbindlichen Auskunft mit dem zuständigen Finanzamt abgeklärt werden, da die Entnahme des Veräußerungserlöses nach Auffassung der Finanzverwaltung den Weg für eine anschließende Reinvestition versperrt (R E 13a.18 Satz 8 ErbStR).
Rz. 223
Die Behaltensfrist setzt sich an dem Reinvestitionsobjekt entsprechend fort (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 421).