Rz. 88
Sofern der Anzeigeverpflichtung fristgerecht Genüge getan wird, das Finanzamt zeitnah die Steuererklärung anfordert und den Steuerbescheid erlässt, wird niemand mehr die ursprüngliche Anzeige näher in Augenschein nehmen. Anders ist es jedoch, wenn – durch wessen Verschulden auch immer – die Festsetzungsverjährung der AO (§§ 169 bis 171) ins Spiel kommt. Durch Eintritt der Verjährung erlöschen entstandene, aber nicht rechtzeitig festgesetzte Erbschaft- und Schenkungsteueransprüche (§ 47 AO).
Rz. 89
Grds. gelten für die Festsetzungsverjährung die allgemein bekannten Vorschriften der §§ 169 bis 171 AO. Ergänzend regelt § 170 Abs. 5 AO eine eigene Anlaufhemmung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer und § 171 Abs. 12 AO eine besondere Ablaufhemmung für die Erbschaftsteuer.
Rz. 90
Eine weitere Besonderheit der Verjährung stellt jedoch die bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer in vielen Fällen bestehende Anzeigepflicht dar. Die Festsetzungsfrist beginnt, wenn eine Steuererklärung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung oder die Anzeige eingereicht bzw. erstattet wird (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).
Rz. 91
Nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO beginnt die Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die FinBeh von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat, wobei die jeweils zuerst eingetretene Alternative maßgeblich ist (BFH vom 05.02.2003, BStBl II 2003, 502). Dabei wird der Fristbeginn nach § 170 Abs. 5 Nr. 2, 2. Alt. AO durch den Zeitpunkt der Kenntniserlangung nicht vorverlegt, sondern allenfalls auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Damit enthält die zweite Alternative einen auf die Schenkungsteuer beschränkten selbstständigen Hemmungstatbestand, der den Beginn der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 170 Abs. 1 und 2 AO) auf den Ablauf des Jahres der (positiven) Kenntniserlangung des Finanzamts (s. Rn. 24) von der vollzogenen Schenkung festlegt. Durch diese Vorschrift wird bei einer nach § 30 ErbStG bestehenden Anzeigepflicht die in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO enthaltene Drei-Jahres-Grenze, bis zu der der Anlauf der Festsetzungsfrist längstens gehemmt ist, außer Kraft gesetzt und bei einer lediglich für Gerichte und Notare bestehenden Anzeigepflicht nach § 34 ErbStG der Anlauf der sonst nach § 170 Abs. 1 AO beginnenden Festsetzungsfrist gehemmt.
Der Vater V von K1 tilgt am 13.01.2001 einen von K1 aufgenommen Kredit mit einer Restschuld von – umgerechnet – 500.000 EUR. Eine Anzeige nach § 30 ErbStG erfolgt weder durch V noch durch K1. I.R. der Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Ableben von V am 22.01.2020 und der Alleinerbschaft von K1 erfährt das zuständige Erbschaftsteuer-FA im Juli 2020 von der Schenkung aus 2001.
Lösung:
Aufgrund der nicht erfüllten Anzeigepflicht nach § 30 ErbStG war die Festsetzungsverjährung nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO anlaufgehemmt. Sie beginnt aufgrund der erfolgten Kenntnis durch das FA im Jahr 2020 nun mit Ablauf des 31.12.2020 und endet entsprechend § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO nach vier Jahren mit Ablauf des 31.12.2024.
Rz. 92
In den Fällen einer mittelbaren Schenkung ist eine Kenntnis des FA erst gegeben, wenn dieses alle Umstände kennt, die die mittelbare Schenkung begründen (BFH vom 08.03.2017, BStBl II 2017, 752, vgl. Übersicht Rz. 93). Werden mehrere Vermögensgegenstände verschenkt und das FA erlangt lediglich Kenntnis über die Schenkung von einzelnen Vermögensgegenständen, fängt insoweit die Festsetzungsfrist nicht an zu laufen (BFH vom 26.07.2017, BStBl II 2017, 1163, vgl. Übersicht Rz. 93).
Rz. 93
Um einen umfassenden Überblick zu ermöglichen, werden weiteren Besonderheiten im Hinblick auf die gesamte Festsetzungsverjährung nachstehend tabellarisch aufgezeigt: