Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Ausgewählter Literaturhinweis:
Eisele, Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz/Änderungen beim reformierten Bewertungs- und Grundsteuerrecht sowie bei der Grundbesitzbewertung, NWB 2021, 2903.
Ausgewählte Rechtsprechung:
BVerfG vom 07.11.2006, BStBl II 2007, 192;
BFH vom 22.05.2002, BStBl II 2002, 598.
1 Bewertungsmaßstab beim Grundvermögen
Rz. 1
Als Bewertungsmaßstab sieht § 177 BewG bei der Bewertung des Grundvermögens den gemeinen Wert i. S. d. § 9 BewG vor. Dieser entspricht inhaltlich dem Verkehrswert (Marktwert) nach § 194 BauGB.
Dabei ist § 177 BewG mehr als eine Wertvorstellung zu interpretieren. Der Gesetzgeber hat das Ziel, diesen gemeinen Wert zu erreichen. Dafür gibt er verschiedene Verfahren vor (so z. B. das Ertragswertverfahren nach §§ 184 bis 188 BewG). Tatsächlich wird durch diese Verfahren der tatsächliche gemeine Wert eines zu bewertenden Grundstücks nicht erreicht. Der Grund ist darin zu sehen, dass die gesetzlich vorgegebenen Verfahren in hohem Maße pauschalisieren, sodass sie lediglich zu einem realitätsgerechten und praktikablen Annäherungswert führen. Einzig i. R.d. sog. Öffnungsklausel des § 198 BewG kommt der tatsächliche gemeine Wert zum Ansatz.
Rz. 2–3
vorläufig frei
2 Entstehungsgeschichte
Rz. 4
Der BFH hatte mit Beschluss vom 22.05.2002 (BStBl II 2002, 598) ein Verfahren bezüglich der Erbschaftsbesteuerung ausgesetzt und dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt. Grund dafür war, dass der BFH die gesetzlichen Regelungen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- und Schenkungsteuer für gleichheitswidrig ausgestaltet hielt. Die Kritik des BFH bezog sich dabei u. a. auf die Begünstigungen für das BV sowie auf die Entlastungen beim Erwerb von Anteilen an KapG.
Rz. 5
Das BVerfG hat nach fast fünf Jahren Beratungszeit am 31.01.2007 seine durch diesen Vorlagebeschluss des BFH erwartete Entscheidung vom 07.11.2006 (BStBl II 2007, 192) bekannt gegeben und die Verfassungswidrigkeit des ErbStG in seiner damaligen Form festgestellt, da die durch § 19 Abs. 1 ErbStG (und nicht etwa die Bewertungsnorm des § 12 ErbStG) angeordnete Erhebung der Erbschaft- und Schenkungsteuer mit einheitlichen Steuersätzen auf den Wert des Erwerbs mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren ist. Das Verfahren, nach dem u. a. der Wert von Grundbesitz, BV sowie nicht notierten Anteilen an KapG ermittelt wird, führte zu willkürlichen Ergebnissen und verstieß damit gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 GG.
Rz. 6
Der Gesetzgeber verfolgte mit der Erbschaftsteuer in ihrer damaligen Ausgestaltung das Ziel, den anfallenden Vermögenszuwachs mit seinem Wert zu erfassen (Bewertungsebene) und den daraus resultierenden steuerpflichtigen Erwerb zu besteuern (Besteuerungsebene). Diese Belastungsentscheidung des Gesetzgebers, aufgrund derer er mit der Erbschaftsteuer – vom Sonderfall der periodischen Besteuerung des Vermögens von Familienstiftungen und Familienvereinen abgesehen – den Erwerb von Vermögenssubstanz einmalig belastet, hat mit Blick auf den Gleichheitssatz Auswirkungen auf die Bewertung des anfallenden Vermögens als den ersten Schritt bei der Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage. Die gleichmäßige Belastung der Erwerber hängt davon ab, dass für die einzelnen zu einem Erwerb gehörenden wirtschaftlichen Einheiten Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden.
Rz. 7
Zur Verfolgung außerfiskalischer Förderungs- und Lenkungsziele ist die Bewertungsebene aus verfassungsrechtlichen Gründen bereits dem Grunde nach ungeeignet. Somit scheidet eine Differenzierung beim Bewertungsmaßstab für bestimmte Vermögenswerte als gleichheitswidrig aus. Der Versuch einer Lenkung auf der Bewertungsebene führt zu uneinheitlichen, vom gemeinen Wert abweichenden Bewertungsergebnissen und damit dazu, dass schon im ersten Schritt darauf verzichtet wird, die Begünstigungswirkung den Begünstigungsadressaten möglichst gleichmäßig zugutekommen zu lassen. Dadurch werden zufällig und willkürlich eintretende Entlastungen bereits strukturell angelegt. Diese auf der Bewertungsebene angelegten, gegen den Gleichheitssatz verstoßenden Verwerfungen betreffen eine solche Vielzahl von Fällen und sind so schwerwiegend, dass die Anwendung einheitlicher Steuersätze auf alle Erbschafts- und Schenkungserwerber verfassungswidrig ist.
Rz. 8
Aufbauend auf Werten, die sich am gemeinen Wert als maßgebliches Bewertungsziel orientieren, ist es aber dem Gesetzgeber auch im Erbschaftsteuerrecht unbenommen, in einem zweiten Schritt bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage (Besteuerungsebene) steuerliche Lenkungsziele zu verwirklichen. Mittels Belastungs- und Verschonungsregelungen (so z. B. § 13a ErbStG a. F.) kann er bei Vorliegen ausreichender Rechtfertigungsgründe die Bemessungsgrundlage zielgenau modifizieren. Der Gesetzgeber kann i. R. d. verfassungsrechtlich Zulässigen auch Differenzierungen beim Steuersatz vorsehen (§ 19 Abs. 1 und § 19a ErbStG a. F.).
Rz. 9
Durch das ErbStRG vom 24.12.2008 (BGBl I 2008, 3028) ist der Gesetzgeber den Vorgaben des BVer...