Dipl.-Finanzwirt Jörg Ramb
Ausgewählte Literaturhinweise:
Eisele, Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz/Änderungen beim reformierten Bewertungs- und Grundsteuerrecht sowie bei der Grundbesitzbewertung, NWB 2021, 2903; Eisele, Erbschaftsteuerliche Immobilienbewertung: Verkehrswertnachweis durch Sachverständigengutachten/Eine aktuelle Bestandsaufnahme, NWB 2021, 686; Eisele, Steuerliche Immobilienbewertung: Blickpunkt Ertragswertrichtlinie/Konkretisierung der ImmoWertV und Anknüpfungspunkte für den steuerlichen Verkehrswertnachweis, NWB 2016, 778; Eisele, Erbschaftsteuerliche Immobilienbewertung und Öffnungsklausel/Verkehrswertnachweis nach internationalen Bewertungsverfahren?, NWB 2007, 183; Eisele/Schmitt, Verkehrswertnachweis bei erbschaftsteuerlicher Immobilienbewertung/Anknüpfungspunkte und Gutachtenkritik im Kontext der neuen ImmoWertV, NWB 2010, 2232; Korte, Bedarfswert und Verkehrswert/Täglich geübte Praxis für den Bewertungssachverständigen, NWB 2009, 1688; Krause, Der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts bei der Grundbesitzbewertung/Aktuelle zusammenfassende Darstellung, NWB 2013, 1678.
Ausgewählte Rechtsprechung
BFH vom 14.10.2020, BStBl II 2021, 665;
BFH vom 16.09.2020 BStBl II 2021, 594;
BFH vom 05.12.2019 BStBl II 2021, 135;
BFH vom 25.04.2018 BStBl II 2019, 1441;
BFH vom 24.10.2017 BStBl II 2019, 21;
BFH vom 19.06.2013 BStBl II 2013, 738;
BFH vom 11.09.2013, BStBl II 2014, 363;
BFH vom 03.12.2008 BStBl II 2009, 403;
BFH vom 09.12.2009 BStBl II 2010, 489;
BFH vom 02.07.2004, BStBl II 2004, 703;
BFH vom 10.11.2004, BStBl II 2005, 259;
BFH vom 08.10.2003, BStBl II 2004, 179;
BFH vom 14.10.2020, BFH/NV 2021.
1 Allgemeines
Rz. 1
Nach § 177 i. V. m. § 9 BewG ist bei der Bewertung der wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens und der Betriebsgrundstücke i. S. d. § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG der gemeine Wert zugrunde zu legen (s. a. § 157 Abs. 3 Satz 1 BewG). Der Gesetzgeber hat das Ziel, diesen gemeinen Wert zu erreichen. Dafür gibt er verschiedene Verfahren vor (so z. B. bei unbebauten Grundstücken die Formel nach § 179 BewG und bei bebauten Grundstücken das Ertragswertverfahren nach §§ 184 bis 188 BewG). Tatsächlich wird durch diese Verfahren der tatsächliche gemeine Wert eines zu bewertenden Grundstücks nicht erreicht. Der Grund ist darin zu sehen, dass die gesetzlich vorgegebenen Verfahren in hohem Maße pauschalisieren und typisieren, sodass sie oft lediglich zu einem realitätsgerechten und praktikablen Annäherungswert führen. Da es sich aufgrund der Pauschalierungen und Typisierungen nicht vermeiden lässt, dass die ermittelten Grundbesitzwerte in besonders gelagerten Fällen über den tatsächlichen Verkehrswert eines Grundstücks hinausgehen, besteht durch die Öffnungsklausel (auch Escapeklausel genannt), die Möglichkeit nachzuweisen, dass der (tatsächliche) gemeine Wert des Grundstücks niedriger ist.
Rz. 2
Die Öffnungsklausel hat in der Praxis erheblich an Bedeutung gewonnen. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass die Pauschalierungen und Typisierungen i. R.d. Grundbesitzbewertung insb. im ländlichen und kleinstädtischen Bereich häufig zu Überbewertungen führen können, insb. wenn der örtliche Gutachterausschuss mangels ausreichender Verkaufsfälle keine vorrangig zu berücksichtigenden Bewertungsgrundlagen zur Verfügung stellen kann. Zum anderen können jedoch auch bestehende Belastungen, Baumängel, Bauschäden sowie aufgestaute Modernisierungs- oder Reparaturarbeiten den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts sinnvoll erscheinen lassen (s. Krause, NWB 2013, 1678).
Rz. 3
Nach Maßgabe des § 198 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 2 BewG sind dabei alle zum Bewertungsstichtag bestehenden wertbeeinflussenden Umstände zu berücksichtigen. Hierzu gehören die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt und der Zustand des zu bewertenden bauten Grundstücks. Der Grundstückszustand bestimmt sich nach der Gesamtheit der wertbeeinflussenden rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten, insb.:
- Rechte und Belastungen privatrechtlicher (bspw. Grunddienstbarkeiten und persönliche Nutzungsrechte) und öffentlich-rechtlicher Art, die sich z. B. aus dem Denkmal-, Landschafts- und Gewässerschutzrecht ergeben können,
- tatsächliche Eigenschaften (z. B. Emissionen, Immissionen),
- sonstige Beschaffenheiten (z. B. Altlasten) und
- die Lage des Grundstücks.
Nur ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse finden keine Berücksichtigung (§ 9 Abs. 2 Satz 3 BewG).
Rz. 4
vorläufig frei
2 Nachweise
2.1 Allgemeines (§ 198 Abs. 1 Satz 2) BewG
Rz. 5
Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten nach § 198 Abs. 1 Satz 2 BewG grds. die aufgrund des § 199 Abs. 1 des BauGB erlassenen Vorschriften. Dies sind die Wertermittlungsverordnung und die hierzu ergänzenden Regelungen in den Wertermittlungsrichtlinien 2006 (§ 198 Satz 2 BewG); die Wertermittlungsverordnung wurde zum 01.07.2010 durch die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV vom 19.05.2010, BGBl I 2010, 639) neu gefasst (vgl. dazu Eisele/Schmitt, NBW 2010, 2232). Danach können sämtliche wertbeeinflussenden Umstände bei der Ermittlung des gemeinen Werts berücksichtigt werden. Mit der...