Abkehr vom subjektiven Fehlerbegriff

Hintergrund
Mit dieser Grundsatzentscheidung, die sich offenbar durch den Präsidentenwechsel beim BFH verzögert hat, gibt der BFH seine 50-jährige Rechtsprechung zum subjektiven Fehlerbegriff auf.
Der Streit (Streitjahr 1996) ging darum, ob für Betriebsvermögensminderungen aus der verbilligten Abgabe von Mobiltelefonen ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) anzusetzen ist. Das Mobilfunkunternehmen (M-GmbH), bot seinen Kunden verbilligte Handys an, wenn sie einen Mobilfunkdienstleistungsvertrag mit einer Laufzeit von mindestens 24 Monaten abschlossen oder einen bestehenden Vertrag entsprechend verlängerten. Das FA war der Auffassung, die durch die verbilligte Abgabe entstandene Vermögensminderung, die von M nicht bilanziell ausgewiesen wurde, sei durch einen aktiven RAP über die Laufzeit des Vertrags zu verteilen und legte der Steuerfestsetzung abweichend von der eingereichten Bilanz einen entsprechend erhöhten Gewinn zugrunde. Dem folgte das FG und wies die Klage ab.
Auf die Revision rief der I. BFH-Senat den Großen Senat des BFH zur Klärung der Grundsatzfrage an, ob das FA an die der Bilanz zugrunde liegende rechtliche Beurteilung, die aus der Sicht eines ordentlichen Kaufmanns bei der Bilanzaufstellung vertretbar war, auch dann gebunden ist, wenn sich diese Beurteilung als objektiv fehlerhaft erweist.
Entscheidung
Für die Beurteilung, ob eine beim FA eingereichte Bilanz "fehlerhaft" in dem Sinne ist, dass das FA sich von den Bilanzansätzen des Unternehmers lösen kann, galt nach bisheriger Rechtsprechung ein subjektiver Maßstab. Akzeptierte das FA einen im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung vom Unternehmer subjektiv vertretbaren Bilanzansatz, durfte es davon später nicht - etwa aufgrund einer inzwischen verschärften Rechtsprechung - abweichen.
Diese Rechtsprechung hat der Große Senat nunmehr aufgegeben. Eine Bindung des FA an eine objektiv unzutreffende, aber im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns vertretbare rechtliche Beurteilung, die der Bilanz oder einzelnen Ansätzen zugrunde liegt, lässt sich aus dem EStG nicht ableiten. Vielmehr sind Finanzverwaltung und Gerichte aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, ihrer Entscheidung die objektiv richtige Rechtslage zugrunde zu legen. Das gebieten der Gleichheitsgrundsatz und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG), und zwar unabhängig davon, ob sich die unzutreffende Rechtsansicht des Unternehmers zu seinen Gunsten oder zu seinen Lasten ausgewirkt hat.
Hinweis
Der BFH lehnt eine Übergangsregelung zugunsten der Steuerpflichtigen ab, da er die bisherige Rechtsprechung nicht als hinreichend gefestigt ansieht. Wegen der Bindung an die Gesetze scheidet eine Übergangsregelung zugunsten der Finanzverwaltung von vornherein aus.
Die Aufgabe des subjektiven Fehlerbegriffs eröffnet dem Steuerpflichtigen künftig die Möglichkeit, günstigere Rechtsprechungsentwicklungen und später bekannt gewordene Tatsachen nachträglich geltend zu machen. Im Gegenzug dürfte ihn aber entsprechend die Verpflichtung treffen, seine Erklärung zu berichtigen, wenn er erkennt, dass seine Angaben nach neuerer Erkenntnis objektiv unrichtig sind. Im Übrigen kommt dem Steuerpflichtigen insoweit Vertrauensschutz zu, als das FA bei der bisherigen Steuerfestsetzung vom subjektiven Fehlerbegriff ausgegangen ist. Das FA kann daher subjektiv richtige aber objektiv falsche Ansätze nicht ohne Weiteres korrigieren.
Beschluss v. 31.1.2013, GrS 1/10, veröffentlicht am 27.3.2013
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