Abfindung beim Aktientausch

Hintergrund: Tausch von Altanteilen mit Barzuzahlung
Zu entscheiden war, ob eine Barabfindung, die beim Tausch sog. Altanteile gezahlt wird, der Besteuerung unterliegt. A hatte in 2006 Anteile der US-amerikanischen X-Gesellschaft erworben. Im Zusammenhang mit der Übernahme der X durch die US-amerikanische Y-Gesellschaft in 2009 erhielt A für jede X-Aktie 0,9 Y-Aktien sowie eine Zuzahlung von 33 US-Dollar. Diese Barabfindung (umgerechnet insgesamt 16.500 EUR) unterwarf die depotführende Bank der KapESt. Den von A im Rahmen der ESt-Erklärung 2009 erhobenen Einwand, die Zuzahlung sei nicht steuerpflichtig, wies das FA zurück. Das FG gab der Klage mit dem Hinweis statt, die einjährige Spekulationsfrist sei bereits abgelaufen.
Entscheidung: Zuzahlung nicht steuerpflichtig
Der BFH bestätigt das FG und wies die Revision des FA zurück. Erhält der Anteilseigner bei einem Aktientausch zusätzlich zu den eingetauschten Aktien eine Gegenleistung, gilt diese als Kapitalertrag, der der Abgeltungssteuer unterliegt (§ 20 Abs. 4a EStG). Die Regelung gilt für ab 2009 (also im Streitjahr) zufließende Kapitalerträge. Die Anwendung setzt jedoch voraus, dass es sich um eine steuerbare Gegenleistung für den Erhalt der Anteile handelt. Denn die Vorschrift bewirkt lediglich die Umqualifizierung des Veräußerungsertrags (Barkomponente) in einen laufenden Kapitalertrag (Dividende). Im Streitfall fehlt es aber an einer steuerbaren Leistung, da die (früher auch für Aktien geltende) einjährige Spekulationsfrist bereits abgelaufen war. Die Vorschrift begründet kein Besteuerungsrecht für bereits steuerentstrickte Vermögenswerte. Die Zuzahlung ist daher nicht als Gewinnausschüttung zu erfassen. Sie stellt eine Abfindung für die in den Altaktien enthaltenen stillen Reserven dar, die wegen Ablaufs der Jahresfrist nicht mehr der Besteuerung unterliegen. Die gegenteilige Auffassung des FA würde im Nachhinein zum Zugriff auf einen Vermögensbestand führen, der nicht (mehr) der ESt unterworfen ist.
Hinweis: verfassungsrechtliches Rückwirkungsverbot
Der Wertgehalt der Aktien unterlag demnach nicht mehr der Besteuerung, so dass die Umqualifizierung der Zuzahlung in eine Gewinnausschüttung (Dividende) nach § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG nicht in Betracht kam. Der BFH konnte deshalb letztlich auch offen lassen, ob überhaupt ein entsprechender Aktientausch vorlag. Die Auslegung des BFH ist aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Denn eine Besteuerung verstößt gegen das Rückwirkungsverbot, wenn sie auf Vermögensgegenstände zugreift, die nach der zuvor geltenden Rechtslage bereits steuerentstrickt waren und bis zum Zeitpunkt der Verkündung der neuen gesetzlichen Regelung steuerfrei realisiert wurden oder steuerfrei hätten realisiert werden können. Die vor 2009 erworbenen Altanteile waren nach Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist steuerentstrickt und hätten ab 2009 zeitlich unbegrenzt steuerfrei veräußert werden können. Dieser Bestandsschutz gilt entsprechend für eine Zuzahlung im Rahmen des Aktientauschs. Nach dem BMF-Schreiben v. 18.1.2016, BStBl 2016 I S. 85, Rz. 100, findet § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG (ohne das Problem er Steuerentstrickung zu erwähnen) auch auf vor 2009 erworbene Altanteile Anwendung.
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