Kindergeld trotz selbständiger Tätigkeit

Ein als arbeitslos gemeldetes Kind kann auch bei einer selbständigen Tätigkeit, die 15 Wochenstunden nicht überschreitet, für das Kindergeld berücksichtigt werden.

Hintergrund

Streitig war, ob der Mutter für ihre Tochter über das 18. Lebensjahr Kindergeld zusteht.

Die Tochter war von November 2005 bis August 2006 als Kosmetikerin selbständig tätig. Aus dieser Tätigkeit erklärte sie gewerbliche Einkünfte, und zwar für 2005 von minus 762 EUR und für 2006 von 1.732 EUR, die sich aus einem laufenden Gewinn von 832 EUR und einem Veräußerungsgewinn von 900 EUR zusammensetzten. Die Familienkasse forderte das für November 2005 bis Juli 2006 gezahlte Kindergeld (1.386 EUR) mit der Begründung zurück, die Tochter sei selbständig erwerbstätig gewesen und habe sich außerdem - was streitig geblieben war - nicht als arbeitssuchend gemeldet.

Ebenso entschied das FG. Die Tochter habe aufgrund ihrer gewerblichen Tätigkeit in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden, auch wenn dies nur einen geringen Umfang eingenommen habe.

Entscheidung

Der BFH vertritt eine großzügigere Auffassung.

Ein volljähriges Kind wird beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldet ist (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG).

Entgegen dem FG geht der BFH davon aus, dass es für die Frage, ob eine selbständige Tätigkeit als ein dem Kindergeld entgegen stehendes Beschäftigungsverhältnis anzusehen ist, auf den Umfang der Tätigkeit ankommt. Denn der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses ist sozialrechtlich zu verstehen. Sozialrechtlich wird die Beschäftigungslosigkeit durch eine selbständige Tätigkeit nicht ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst, wobei gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt bleiben (§ 138 Abs. 3 - früher § 119 Abs. 3 - SGB III). Eine von Gewinnerzielungsabsicht getragene selbständige oder gewerbliche Betätigung des Kindes bis zu dieser Grenze steht der Beschäftigungslosigkeit daher nicht entgegen.

Die Höhe der aus der Tätigkeit erzielten Einkünfte ist dabei ohne Bedeutung. Anders ist es nach Auffassung der Verwaltung bei einer nichtselbständige Beschäftigung. Danach schließt zwar eine geringfügige Beschäftigung im Sinne eines 450-EUR-Jobs den Kindergeldanspruch nicht aus (H 32.4 EStH 2014; A 13 Abs. 1 DA-KG 2014). Das lässt sich jedoch auf selbständige Betätigungen nicht übertragen, weil diese häufig (z.B. in der Anlaufphase) trotz geringer Einkünfte einen erheblichen zeitlichen Einsatz erfordern.

Da das FG den Umfang der Tätigkeit der Tochter nicht festgestellt hatte, konnte der BFH nicht abschließend entscheiden, sondern musste die Sache zur weiteren Aufklärung an das FG zurückverweisen. Außerdem stand auch nicht fest, ob die Tochter als Arbeitsuchende gemeldet war.

Hinweis

In der für 2000 bis 2002 geltenden Fassung hatte § 32 Abs. 4 EStG ausdrücklich bestimmt, dass ein Kind nur zu berücksichtigen ist, wenn es "arbeitslos" i.S. des SGB III ist. Dieser Verweis ist ab 2003 entfallen. Damit sollte jedoch nicht von den Begrifflichkeiten des SGB III abgewichen, sondern nur erreicht werden, dass Kinder ohne Beschäftigung sich nicht ausschließlich wegen des Kindergeldanspruchs arbeitslos melden mussten.

Die Grenze der Beschäftigungslosigkeit - weniger als 15 Stunden - darf gelegentlich und für kurze Dauer überschritten werden. Damit wird eine zu starre Grenze vermieden, die es erforderlich machen würde, jede Woche einzeln zu betrachten. Gleichwohl sind Streitfälle nicht ausgeschlossen. Vor- und nachbereitende Arbeiten sind mit zu berücksichtigen. Die zeitliche Eingrenzung gilt allerdings nicht für ehrenamtliche Betätigungen (§ 138 Abs. 2 SGB III). 

BFH, Urteil v. 18.12.2014, III R 9/14, veröffentlicht am 13.5.2015