Wirtschaftliche Eingliederung bei der umsatzsteuerlichen Organschaft
Streitig ist, ob die klagende GmbH in das Unternehmen der M GmbH wirtschaftlich eingegliedert ist. Die Klägerin produziert Funkwerbespots und synchronisiert und vertont Film- und Videomaterial und Tonträger; einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer waren in den Streitjahren G und A.
Die M GmbH handelt und vermietet elektronische und elektrotechnische Geräte aller Art und hält und verwaltet Unternehmensbeteiligungen aller Art. Die M GmbH, deren einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer in den Streitjahren G und W waren, hielt 100% der Gesellschaftsanteile an der Klägerin. Zwischen der Klägerin und der M GmbH bestand ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Die Klägerin ging deshalb für die Streitjahre davon aus, dass sie als in das Unternehmen der M GmbH eingegliederte Organgesellschaft keine eigene Umsatzsteuererklärung abzugeben habe. Die M GmbH gewährte der Klägerin verzinsliche Darlehen und übernahm Bürgschaften für Bankdarlehen und Dispokredite der Klägerin. Ein Entgelt für die Bürgschaftsgewährung wurde nicht vereinbart.
Die Klägerin veräußerte 2006 Anlagevermögen an die MD GmbH und GG GmbH. Diese veräußerten die Gegenstände an die M GmbH und diese an die L GmbH & Co. KG. Die L GmbH & Co. KG verleaste diese Gegenstände wiederum an die Klägerin zurück. 2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der M GmbH eröffnet. Nach einer Außenprüfung erließ das Finanzamt für die Streitjahre 2007 bis 2009 erstmalige Umsatzsteuerbescheide gegen die (zahlungsfähige) Klägerin als „eigenständiges“ Unternehmen, da zwischen der Klägerin und der M GmbH mangels wirtschaftlicher Eingliederung keine Organschaft bestehe.
Dagegen wendete die Klägerin ein, dass sie in das Unternehmen der M GmbH eingebunden war. Aufgrund der Verschaffung von Liquidität durch Darlehensüberlassungen, Bürgschaften sowie ein Sale-and-lease-back-Geschäft liege auch eine wirtschaftliche Eingliederung vor, insbesondere auch wegen der Aufgabenteilung, wonach die M GmbH für die Klägerin wesentliche unternehmerische Aufgaben, wie finanzielle Organisation, Finanzierung, Entwicklung von Leasing- und Finanzierungsmodellen und Steuerorganisation übernommen habe. Im Gegenzug habe die Klägerin der M GmbH spätestens nach Darlehensrückzahlung in wesentlichem Umfang ihre Gewinne zugutekommen lassen.
Nach Auffassung des Finanzgerichts war die Klägerin zwar eindeutig organisatorisch und finanziell eingegliedert, jedoch war sie nicht in das Unternehmen der M GmbH wirtschaftlich eingegliedert.
Leistung des Organträgers zur wirtschaftlichen Eingliederung
Beruht die für eine umsatzsteuerliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche wirtschaftliche Eingliederung auf Leistungen des Organträgers an die Organgesellschaft, müssen entgeltliche Leistungen vorliegen, denen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche Bedeutung zukommt.
Im Streitfall erfolgte die Darlehensgewährung und die Bürgschaftsübernahme nicht entgeltlich. Das Sale-and-Lease-back-Geschäft begründet keine wirtschaftliche Verflechtung, da zwischen Klägerin und M GmbH insoweit keine direkten vertraglichen Beziehungen bestanden (Unterbrechung durch die nicht konzernangehörige L GmbH & Co. KG). Eventuelle Verwaltungsleistungen der M GmbH an die Klägerin erfolgten nicht entgeltlich und sind damit keine der Mehrwertsteuer unterliegende wirtschaftliche Tätigkeit.
Zwei von drei Eingliederungsmerkmalen reichen nicht aus
Zwar kann eine Eingliederung auch anzunehmen sein, wenn das Vorliegen eines der drei Eingliederungsmerkmale (finanziell, organisatorisch, wirtschaftlich) nur zweifelhaft oder weniger stark ist, die beiden anderen Voraussetzungen jedoch erfüllt sind. Es reicht jedoch nicht aus, wenn nur zwei der drei Merkmale vorliegen. Im Streitfall liegt das Merkmal der wirtschaftlichen Eingliederung jedoch allenfalls in sehr schwach ausgeprägter Form vor. Allein die finanzielle Unterstützung der Klägerin durch die M GmbH bewirkt noch keine wirtschaftliche Verflechtung der Unternehmensbereiche dieser beiden Unternehmen.
Kein Vertrauensschutz aufgrund früherer anderer Beurteilung
Bejahte das Finanzamt bei einer Betriebsprüfung für die Vorjahre die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft, hat dies nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung keine Auswirkung auf die Streitjahre (vgl. BFH, Urteil v. 18.3.2015, XI R 8/13).
Nicht anwendbar ist im Streitfall § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wonach die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbstständig ausgeübt wird, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind. Die Klägerin ist jedoch eine juristische Person und kein Zusammenschluss natürlicher Personen.
Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen, da die Fortbildung des Rechts, nämlich die Konkretisierung des Begriffs der wirtschaftlichen Verflechtung, eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert (Az. beim BFH V R 30/18) bleibt daher abzuwarten.
FG München, Urteil v. 13.9.2018, 3 K 949/16, Haufe Index 12204836
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