Untermietzimmer als Wohnsitz?
Hintergrund
In der vorliegenden Kindergeldsache geht es in erster Linie um die Frage, ob der Vater zweier in Polen lebender Kinder für den Streitzeitraum im Inland einen Wohnsitz unterhalten hat.
Der Vater (V) meldete in 2006 einen Wohnsitz und ein Gewerbe - zunächst für sich, später für eine GbR - im Inland an. Er erzielte 2006 bis 2008 Einkünfte von rund 10.000 EUR bis 13.000 EUR. Zum Nachweis seines inländischen Wohnsitzes legte V einen mit dem Hauptmieter eines Einfamilienhauses abgeschlossenen Untermietvertrag über ein "Zimmer und Betriebsstätte" und außerdem einen Hauptmietvertrag zwischen der Vermieterin und dem Hauptmieter vor.
Die Familienkasse entsprach dem Kindergeldantrag für die beiden Kinder mit Verweis auf EG-Verordnungen nur zur Hälfte (77 EUR je Kind und Monat). Das FG gab dagegen der Klage für den Streitzeitraum (September 2007 bis März 2008) in vollem Umfang statt. Denn die Rechtslage beurteile sich ausschließlich nach innerstaatlichem Recht. Danach sei der Kindergeldanspruch nicht ausgeschlossen, da nach polnischem Recht kein Anspruch auf Familienleistungen bestehe (§ 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Das FG bejahte den inländischen Wohnsitz und verwies dazu auf die Mietverträge, die Meldung beim Einwohnermeldeamt und die nicht unerheblichen inländischen Einkünfte sowie auf die Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig bei der ESt-Veranlagung.
Entscheidung
Da das FG die Hauptfrage nicht geklärt hatte, ob V im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, hob der BFH das FG-Urteil auf und verwies den Fall an das FG zurück.
Ein Wohnsitz setzt eine Wohnung voraus, d.h. eine stationäre Räumlichkeit, die auf Dauer zum Bewohnen geeignet ist. Dies erfordert eine den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Inhabers entsprechende Bleibe. Eine nur vorübergehende oder notdürftige Unterbringungsmöglichkeit reicht nicht aus, ebenso nicht eine bloße Schlafstelle in Betriebsräumen. Innehaben der Wohnung bedeutet, dass der Betreffende tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wenn auch in größeren Zeitabständen - aufsucht. Die Nutzung muss zu Wohnzwecken erfolgen; eine Nutzung zu ausschließlich beruflichen oder geschäftlichen Zwecken reicht nicht aus, ebenso nicht ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken. Schließlich muss das Innehaben der Wohnung unter Umständen erfolgen, die darauf schließen lassen, dass die Person die Wohnung beibehalten wird. Darin kommt u.a. ein Zeitmoment zum Ausdruck, für das auf eine Sechsmonatsfrist abgestellt werden kann.
Hiervon ausgehend enthält das FG-Urteil keine tragfähige Tatsachengrundlage für die Annahme eines inländischen Wohnsitzes. Unklar ist bereits, ob das Untermietzimmer, das auch als Betriebsstätte vermietet wurde, eine zu Wohnzwecken geeignete Bleibe darstellte und wie häufig, über welche Dauer und für welche Zwecke es genutzt wurde. Außerdem ergibt sich aus der Behandlung bei der ESt-Veranlagung als unbeschränkt steuerpflichtig keine Bindung für die Familienkasse. Entsprechendes gilt für die polizeiliche Meldung und die Gewerbeanmeldung.
Mangels einer tragfähigen Grundlage, die einen Rechtsfehler darstellt, konnte der BFH daher auf die eigentlichen Streitfragen nicht eingehen und musste die weitere tatsächliche Aufklärung dem FG übertragen.
Hinweis
Lediglich ergänzend weist der BFH darauf hin, dass für den Fall dass ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt bestand und V daher grundsätzlich anspruchsberechtigt ist, die gemeinschaftsrechtlichen Antikumulierungsvorschriften nicht eingreifen, da V nicht sozialversichert war. Dabei hat das FG eigenständig die ausländische Rechtslage zu ermitteln und zu prüfen, ob V (oder einem Dritten) nach polnischem Recht ein Anspruch auf dem Kindergeld vergleichbare Leistungen zusteht, die das inländische Kindergeld ausschließen (§ 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).
BFH, Urteil v. 8.5.2014, III R 21/12, veröffentlicht am 29.10.2014
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