Verluste beim Verfall einer Option
Hintergrund
Zu entscheiden war, ob die Eheleute (E) durch das Verfallenlassen von Aktienkaufoptionen einen zu berücksichtigenden Verlust erlitten haben. Außerdem war streitig, ob Kreditzinsen zur Refinanzierung von Kapitalanlagen als Werbungskosten abziehbar sind.
Die E, die u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielten, erwarben in 2010 sechs Kaufoptionen (Calls) für den Erwerb von Aktien XXX-AG zum Preis von 1.742 EUR. Statt des erwarteten Kursanstiegs kam es zu einem starken Kursrückgang der Aktie. Die E versuchten, die Optionen zu veräußern, fanden aber keinen Käufer. Aufgrund des Kursverfalls wurden die Optionen wertlos. Die E ließen daher die Optionen bei Fälligkeit verfallen. Im Übrigen hatten die E ein Bankdarlehen zum Kauf von Wertpapieren aufgenommen, für das in 2010 Zinsen (8.440 EUR) angefallen waren.
Die E machten für 2010 die Kreditzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sowie den Verlust aus den verfallenen Optionen geltend. Im Hinblick auf das Werbungskostenabzugsverbot in § 20 Abs. 9 EStG ließ das FA lediglich Werbungskosten in Höhe des Sparer-Pauschbetrags zum Abzug zu und berücksichtigte den Verlust aus den verfallenen Optionen nicht.
Die dagegen erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG berücksichtigte den Verlust aus den verfallenen Optionen in Höhe der Anschaffungskosten (1.742 EUR). Für die Kreditzinsen folgte es dem FA und versagte es den Abzug.
Mit der Revision wandte sich das FA gegen die Berücksichtigung des Verlusts aus dem Verfall der Optionen. Ein Abzug sei ausgeschlossen, da kein Einkünftetatbestand verwirklicht sei. Die E legten ebenfalls Revision ein und machten geltend, die Verweigerung des Werbungskostenabzugs für die Kreditkosten sei verfassungswidrig.
Entscheidung
Der BFH teilt die Auffassung des FG, dass das Verfallenlassen einer Option als steuerbar zu behandeln ist und mangels Einnahmen ein Verlust der E in Höhe der Anschaffungskosten zu berücksichtigen ist. Das Verfallenlassen einer Option erfüllt den Tatbestand des § 20 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG (Termingeschäfte). Die vergeblich für den Erwerb von Optionen aufgewandten Anschaffungskosten sind Aufwendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang sachlichen Zusammenhang mit dem Termingeschäft stehen und deshalb bei der Ermittlung des Gewinns (oder Verlusts) abzuziehen sind. Die Anschaffung einer Option und der Ausgang des Optionsgeschäfts müssen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise grundsätzlich als Einheit betrachtet werden. § 20 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG ist daher dahin zu interpretieren, dass einen "Vorteil" aus einem Termingeschäft (Option) derjenige "erlangt", der mit dem Erwerb der Option das (bedingte) Recht auf einen Barausgleich erwirbt, gleichgültig ob er den Barausgleich bei einer günstigen Wertentwicklung durchführt oder ob er bei einer ungünstigen Wertentwicklung das Recht verfallen lässt. Denn das Gesetz erfasst in § 20 Abs. 2 EStG nicht nur eine positive Differenz, sondern folgerichtig auch eine negative Differenz als Verlust.
Den Verfall einer Option als steuerbaren Vorgang einzuordnen, entspricht auch dem Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Mit der Einführung der Abgeltungsteuer sollten alle Wertzuwächse bei Termingeschäften der Besteuerung unterworfen werden. Die Leistungsfähigkeit des Optionskäufers ist aber um die aufgewandten Optionsprämien gemindert, unabhängig davon, ob er die Option ausübt oder verfallen lässt.
Das Werbungskostenabzugsverbot nach § 20 Abs. 9 EStG steht dem Abzug der Optionsprämien nicht entgegen. Denn § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG geht als Sondervorschrift für die bei einem Termingeschäft angefallenen Aufwendungen dem grundsätzlichen Abzugsverbot vor. Danach können die Aufwendungen abgezogen werden, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Termingeschäft stehen. Dazu gehören auch die geleisteten Optionsprämien.
Hinsichtlich der von den E geltend gemachten Kreditzinsen für die Anschaffung von Kapitalanlagen greift allerdings das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG ein. Der BFH verweist dazu auf ein neueres Urteil (BFH v. 1.7.2014, VIII R 53/12, BStBl II 2014, 975). An der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bestehen für Finanzierungskosten keine Zweifel.
Hinweis
Nach der früheren Rechtsprechung waren beim Verfall einer Kaufoption die Anschaffungskosten nicht zu berücksichtigen, da die Aufwendungen für die Optionsprämie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Termingeschäft gesehen wurden. Diese Rechtsprechung ist mit der Einführung der Abgeltungsteuer ab 2009 und dem geänderten Gesetzeswortlaut überholt. Der BFH widerspricht damit der Verwaltungsauffassung. Nach den BMF-Schreiben v. 9.10.2012 (BStBl I 2012, 953, Rz. 27) und v. 27.3.2013 (BStBl I 2013, 403) sollen beim Verfall einer Kaufoption deren Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten ohne Bedeutung sein.
In zwei weiteren veröffentlichten Urteilen hat der BFH unter dem gleichen Datum parallel und weitgehend wortgleich entschieden (BFH v. 12.1.2016, IX R 49/14 und IX R 50/14).
BFH, Urteil v. 12.1.2016, IX R 48/14, veröffentlicht am 2.3.2016
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