Vorsteuerabzug des Mieters aus Mietereinbauten
Hintergrund: Mietereinbauten in einer Arztpraxis
Eine Ärzte-GbR mietete von der V-GmbH (Vermieter und Eigentümer) für die Dauer von 15 Jahren Praxisräume für eine augenärztliche Tagesklinik an. Für den Aus- und Umbau der Räume gewährte die V einen Baukostenzuschuss von 500.000 EUR. Es war vereinbart, dass die GbR die bezuschussten Ausbaumaßnahmen bei einem Auszug in den Räumen belässt und dafür keine Entschädigung von der V beanspruchen kann. Die GbR ließ die Ein- und Umbauten im eigenen Namen durch von ihr beauftragte Firmen ("Praxenbauer") durchführen und stellte sie der V mit 500.000 EUR zuzüglich USt (95.000 EUR) in Rechnung.
Die GbR erklärte für 2012 steuerpflichtige Umsätze von 500.000 EUR und machte die ihr von den Praxenbauern in Rechnung gestellte USt (94.900 EUR) als Vorsteuer geltend. Im Übrigen erzielte sie ausschließlich steuerfreie Umsätze aus ärztlicher Tätigkeit (§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG).
Das FA ging davon aus, der An- und Verkauf der Mietereinbauten sei kein eigenständiger Unternehmensteil und begründe mangels Nachhaltigkeit auch keine Unternehmereigenschaft. Es handele sich um Hilfsgeschäfte. Da die GbR die Mietereinbauten ausschließlich für steuerfreie Ausgangsumsätze verwende, sei der Verkauf nach § 4 Nr. 28 UStG steuerfrei und der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen.
Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab. Der Umbau sei aufgrund der mietvertraglichen Verpflichtung von V ausgeführt worden. Sie habe die Umbauten "auf ihre Kosten" durch die GbR ausführen lassen.
Entscheidung: Zum Vorsteuerabzug berechtigende Weiterlieferung an den Vermieter
Die GbR hat mit der Weitergabe der Mietereinbauten eine steuerpflichtige Werklieferung an V erbracht. Bei Mietereinbauten liegt in der Weiterlieferung die sofortige Verschaffung der Verfügungsmacht an den Eigentümer (Vermieter), wenn dieser Wert und Substanz der Einbauten erlangt. Davon ist auszugehen, wenn der Mieter schon bei Beginn des Mietverhältnisses auf sein Wegnahmerecht (§ 539 Abs. 2 BGB) verzichtet, weil der Eigentümer ihm die Herstellungskosten erstattet oder diese mit dem Mietzins verrechnet werden (BFH Urteil vom 24.11.1992 - V R 80/87, BFH/NV 1993 S. 634). Im Streitfall sind die Einbauten zum wesentlichen Bestandteil des Gebäudes geworden und damit in das Eigentum der V als Vermieterin übergegangen. Außerdem war im Mietvertrag vereinbart, dass die GbR die Einbauten bei einem Auszug entschädigungslos zurücklässt und dass diese mit dem Baukostenzuschuss von 500.000 EUR abgegolten sind. Der wirtschaftliche Vorteil für V liegt in der Herstellung der Vermietbarkeit der Räume. V war erst nach Vornahme der Einbauten zur vertragsgemäßen Überlassung der Räume in der Lage. Denn sie schuldete vertraglich Räume, die zum Betrieb einer augenärztlichen Tagesklinik geeignet sind.
Zusammenhang zwischen Ausgangsumsatz und Eingangsumsätzen
Im Streitfall liegt auch der für den Vorsteuerabzug erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen dem (einzigen) Ausgangsumsatz (Weiterlieferung der Einbauten an V) und den Eingangsumsätzen (Lieferung der Einbauten durch die Praxenbauer) vor. Soweit die Einbauten für die Tätigkeit als Augenärzte erforderlich waren und verwendet werden, handelt es sich um einen lediglich mittelbaren Zusammenhang mit der freiberuflich-steuerfreien Tätigkeit, auf den es für den Vorsteuerabzug jedoch nicht entscheidend ankommt (BFH Urteil vom 13.01.2011 - V R 12/08, BStBl 2012 II S. 61, Rz 19, und vom 09.12.2010 - V R 17/10, BStBl 2012 II 53, Rz 10).
Keine schädliche Verwendung zu steuerfreien Umsätzen
Der Vorsteuerabzug der GbR scheitert auch nicht an § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Danach ist die Steuer für Lieferungen, die für steuerfreie Umsätze verwendet werden, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Zu den steuerfreien Umsätzen gehören nach § 4 Nr. 28 UStG auch die Lieferungen von Gegenständen, wenn der Unternehmer die gelieferten Gegenstände ausschließlich für eine nach Nr. 8 bis 27 steuerfreie Tätigkeit verwendet hat. Im Streitfall liegt jedoch keine Verwendung der Mieteinbauten für steuerfreie Heilbehandlungsleistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG vor, sondern für die steuerpflichtige Werklieferung an V. Der Anwendung von § 4 Nr. 28 UStG steht im Übrigen entgegen, dass die GbR die weitergelieferten Einbauten nicht zuvor für eine Tätigkeit i.S. des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG verwendet hat. Denn die Weiterlieferung erfolgte bereits vor Aufnahme der heilberuflichen Tätigkeit.
Der BFH hob daher das FG-Urteil auf und gab der Klage statt.
Hinweis: Steuerpflichtige Hilfsumsätze neben einer steuerfreien Haupttätigkeit
Das FA hatte eingewandt, der Praxisausbau habe nicht zur eigentlichen wirtschaftlichen (ärztlichen) Tätigkeit der GbR gehört. Sie sei insoweit nicht nachhaltig unternehmerisch tätig gewesen. Dieser Gesichtspunkt greift nicht durch. In den Rahmen des Unternehmens fallen nicht nur die Grundgeschäfte, die den eigentlichen Gegenstand der geschäftlichen Betätigung bilden, sondern auch die – möglicherweise nur punktuell durchgeführten – Hilfs- und Nebengeschäfte, ohne dass es insoweit auf die nachhaltige Ausführung dieser Geschäfte ankommt (BFH Urteil vom 20.09.1990 - V R 92/85, BFHE 162 S. 493). Es genügt ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Haupttätigkeit (BFH Urteil vom 13.09.1988 - V R 230/83, BFH/NV 1989 S. 135). Das gilt auch dann, wenn sich die Haupttätigkeit auf steuerfreie Umsätze bezieht.
BFH Urteil vom 13.11.2019 - V R 5/18 (veröffentlicht am 09.01.2020)
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