Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung des § 19 Abs. 1 UStG bei Neugründungen. Umsatzsteuer 2000
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Neugründungen (hier: einer aus zwei gemeinnützigen Vereinen ausschließlich zur einmaligen Durchführung einer Jubiläumsveranstaltung gegründeten GbR) ist die Keinunternehmerbesteuerung i. S. des § 19 Abs. 1 UStG im Folgejahr möglich, wenn der Umsatz in diesem Jahr 100000 DM (ab 1.1.2002: 50000 Euro) nicht übersteigt und wenn der Umsatz im Jahr der Vorbereitung Null bis maximal 32000 DM (ab 1.1.2002: 16620 Euro) betragen hat (entgegen BFH-Urteil vom 22.11.1984 V R 170/83, BStBl II 1985, 142 und Urteil des Hessischen FG vom 12.4.1989 6 K 72/88, EFG 1989, 544).
2. Spenden der jeweiligen Vereinsvorstände, die der finanziellen Grundausstattung einer aus zwei gemeinnützigen Vereinen ausschließlich zur einmaligen Durchführung einer Jubiläumsveranstaltung gegründeten GbR dienen, sind als sog. echte Zuschüsse nicht steuerbar.
Normenkette
UStG 1999 § 19 Abs. 1, 3, § 1 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
1. Der Bescheid vom 26. Mai 2001 und die Einspruchsentscheidung werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine aus der F. und dem R. bestehende Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Sie wurde mündlich im Jahr 1999 ausschließlich zum Zweck der Durchführung der Veranstaltung „…” (21. bis 25. Juni 2000) gegründet und ist mittlerweile aufgelöst und auseinandergesetzt. Im Fragebogen zur Anmeldung einer Gesellschaft wurde als Beginn der Tätigkeit der 22. Juni 2000, als Ende der 30. Juni 2000 angegeben. Die Klägerin erhielt im Jahr 1999 als finanzielle Grundausstattung zwei Spenden i. H. v. je 50 DM aus dem Privatvermögen der jeweiligen Vorstände der Gesellschafter. Hieraus bestritt sie die im Jahr 1999 für die Vorbereitung der Veranstaltung anfallenden Kosten (insb. Portokosten für das Einholen von Angeboten, Auslagen Getränkekosten bei Verhandlungen). Die Bruttoeinnahmen aus der Veranstaltung im Jahr 2000 betrugen 97 523 DM.
Am 16. März 2001 reichte die Klägerin die Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2000 bei dem Beklagten (dem Finanzamt –FA–) ein und begehrte die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung nach § 19 Abs. 1 des im Streitjahr geltenden Umsatzsteuergesetzes (UStG). Das FA stimmte der Erklärung nicht zu, ermittelte aus den Bruttoeinnahmen einen Umsatz i. H. v. 85 910 DM sowie Vorsteuerbeträge i. H. v. 7462,08 DM und setzte die Umsatzsteuer 2000 der Klägerin mit Bescheid vom 26. Mai 2001 auf 6 283,00 DM fest. Den Einspruch der Klägerin wies es mit Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2001 als unbegründet zurück.
Mit ihrer hiergegen am 8. November 2001 beim FA angebrachten Klage trägt die Klägerin vor, sie habe ihre Geschäftstätigkeit bereits im Jahre 1999 begonnen. Da der Umsatz in diesem Jahr unter 32 500 DM und im Jahr 2000 unter 100 000 DM gelegen habe, sei § 19 Abs. 1 UStG anwendbar.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 26. Mai 2001 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und das Urteil des Hessischen Finanzgerichts (FG) vom 12. April 1989 6 K 72/88 (EFG 1989, 544).
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten, die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist begründet.
1. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG wird die für Umsätze im Inland geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben, wenn der in § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 32 500 DM nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 100 000 DM voraussichtlich nicht übersteigen wird.
Die genannte Vorschrift regelt nicht, wie bei Neugründungen von Unternehmen zu verfahren ist. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in diesem Zusammenhang im Wege der Rechtsanalogie entschieden, dass im Erstjahr einer unternehmerischen Betätigung allein die Umsatzgrenze von (im Streitjahr) 32 500 DM (damals noch 20 000 DM) maßgeblich für die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung auf Neugründungen ist (Urteil vom 22. November 1984 V R 170/83, BFHE 142, 316, BStBl II 1985, 142). Nach dem Urteil des Hessischen FG in EFG 1989, 544 soll dies auch zutreffen, wenn das bereits im Vorjahr gegründete Unternehmen Umsätze erst im Folgejahr ausführt. Die Literatur hat sich dieser Auffassung überwiegend angeschlossen (Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, VI Rz. 484; Widmann in Plückbaum/Malitzky, 10. Aufl., Umsatzsteuergesetz, § 19 Rz. 17; Pflüger in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, E § 19 ...