3.4.1 Mindestausschüttungen als Streitfrage
Tz. 78
Stand: EL 116 – ET: 04/2020
Im Falle der Einschaltung einer gemeinnützigen Stiftung als "unternehmenstragende Stiftung", stellt sich in der Besteuerungspraxis regelmäßig die Frage, ob und in welcher Höhe eine Gewinnausschüttung von der Kapitalgesellschaft an die gemeinnützige Stiftung (Gesellschafterin) erfolgen muss.
Diese Frage wird in der Praxis oftmals kontrovers diskutiert und ist ein permanentes Streitthema zwischen den Beratern gemeinnütziger Stiftungen und der Finanzverwaltung. Rechtssicherheit wird man in dieser "sensiblen" Gemeinnützigkeitsfrage im Einzelfall nur im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung mit der Finanzverwaltung oder über eine verbindliche Auskunft über die erforderliche Höhe von Gewinnausschüttungen an die gemeinnützige Stiftung erhalten.
3.4.2 Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als steuerfreie Vermögensverwaltung
Tz. 79
Stand: EL 116 – ET: 04/2020
Die Beteiligung einer gemeinnützigen Stiftung an einer Kapitalgesellschaft ist grds. steuerfreie Vermögensverwaltung (§ 14 Satz 3 AO, Anhang 1b). Sie stellt jedoch dann einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i. S. d. § 64 AO (Anhang 1b) dar, wenn mit der Beteiligung ein entscheidender Einfluss auf die laufende Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft ausgeübt wird (vgl. AEAO Nr. 3 zu § 64, Anhang 2).
Tz. 80
Stand: EL 116 – ET: 04/2020
Von der Finanzverwaltung wird steuerlich anerkannt, dass die Anteile an einer Kapitalgesellschaft teilweise von der gemeinnützigen Stiftung und teilweise von einer nicht gemeinnützigen Familienstiftung gehalten werden. Dabei kann die laufende Einflussnahme der gemeinnützigen Stiftung auf das Unternehmen stark beschränkt werden; in diesem Fall erfolgt die Unternehmensführung durch die Familienstiftung. Diese Vorgehensweise wird als sog. Doppelstiftungsmodell bezeichnet.
3.4.3 Beteiligung an der Kapitalgesellschaft darf nicht Hauptzweck der gemeinnützigen Stiftung sein
Tz. 81
Stand: EL 116 – ET: 04/2020
Auch die Vermögensverwaltung ist im Hinblick auf das Gebot der Ausschließlichkeit nach § 56 AO (Anhang 1b) nur dann gemeinnützigkeitsunschädlich, wenn sie um des steuerbegünstigten Zweckes willen erfolgt. D.h. sie darf nur der Beschaffung von Mitteln zur Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke dienen. Sofern hingegen die Vermögensverwaltung ein losgelöster Zweck oder gar Hauptzweck der gemeinnützigen Stiftung ist, scheitert die Gemeinnützigkeit an dem Gebot der Ausschließlichkeit nach § 56 AO (vgl. AEAO Nr. 1 zu § 56, Anhang 2).
3.4.4 Gibt es ein Gebot von Mindestausschüttungen bei Unternehmensbeteiligungen im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht?
Tz. 82
Stand: EL 116 – ET: 04/2020
Von der Finanzverwaltung werden im Falle von Unternehmensbeteiligungen gemeinnütziger Stiftungen teilweise folgende Vorgaben gemacht:
- Mindestausschüttung in Abhängigkeit vom allgemeinen Zinsniveau bezogen auf den übertragenen Vermögenswert in Geld. Dies müsse grds. auch in Jahren erfolgen, in denen das Unternehmen Verluste oder nur geringe Gewinne erzielt.
- Die Mindestausschüttung müsse in Abhängigkeit zu den eingeräumten Gesellschaftsrechten im Hinblick auf die Höhe der Ausschüttung stehen. D.h. je größer der Einfluss, über diese Rechte einen höheren Gewinnanteil zu erlangen, desto niedriger könne die festgelegte Mindestausschüttung sein.
- M.E. sind diese Forderungen zu weitgehend und gesetzgeberisch nicht gedeckt. Denn das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht enthält – ebenso wie die LandesstiftungsG – keine konkreten Anlageregelungen (vgl. auch die Monographie von Hüttemann/Schön, Vermögensverwaltung und Vermögenserhaltung im Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht 2007).
- Das Gemeinnützigkeitsrecht enthält also kein "Vermögenserhaltungsgebot", sondern – im Gegenteil – nur die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung der Erträge (§ 55 AO, Anhang 1b). Die ggf. dauerhafte Erhaltung von Vermögenswerten wird nur i. R.d. § 62 AO toleriert. Aus dem Gebot der Ausschließlichkeit nach § 56 AO (Anhang 1b) kann m. E. lediglich abgeleitet werden, dass die Geschäftsführung steuerbegünstigter Stiftungen auch im Hinblick auf ihre Vermögensanlagepolitik auf die Erfüllung ihrer satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein muss.
- Das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht fordert deshalb keine Mindestausschüttungen, sondern nur eine wirtschaftlich angemessene Anlagestrategie. Hierbei ist m. E. dem Stiftungsvorstand ein weiter Ermessensspielraum bei Anlageentscheidungen einzuräumen. Denn eine vermögenserhaltende Anlagestrategie muss zwar darauf ausgerichtet sein, ausreichend Erträge zu erzielen, darf aber nicht dazu führen, die Vermögensanlage (Beteiligung) durch Mindestausschüttungen wirtschaftlich zu schwächen und im Extremfall "auszubluten" (vgl. auch FG Münster vom 11.12.2014, EFG 2015, 739). Denn das Gebot der Selbstlosigkeit nach § 55 AO (Anhang 1b) beinhaltet auch, dass die gemeinnützige Stiftung ihr Vermögen sicher und rentierlich anlegen muss.
- M.E. enthält das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht kein gesetzliches Gebot einer Mindestausschüttung an die gemeinnützige Stiftung. Im Gegenteil. Das jeweilige Ausschüttungsverhalten muss im Einzelfall unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vermögenserhaltung der Kapitalbeteiligung flexibel festgelegt werden. Hierfür ist bereits im Vorfeld eine tatsächliche Verständigung mit der Finanzverwalt...