Stand: EL 137 – ET: 06/2024
§ 55 Abs. 1 Satz 1 AO (Anhang 1b) bestimmt, dass eine gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienende Körperschaft nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke – z. B. gewerbliche Zwecke – verfolgen darf, weil die Verfolgung eigenwirtschaftlicher Zwecke ein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstlosigkeit darstellt (RFH vom 17.07.1930, RStBl 1930 , 702; AEAO zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO, Anhang 2; BFH vom 26.04.1989, BStBl II 1989, 670 und BFH vom 28.06.1989, BStBl II 1989, 550).
Eigenwirtschaftliches Handeln liegt beispielsweise dann vor, wenn bei einem Verein für die Mehrzahl aller Mitglieder wirtschaftliche Interessen (z. B. gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke) im Vordergrund stehen oder wenn Förderer und Geförderte identisch sind.
Unter eigenwirtschaftlichen Zwecken werden gewerbliche oder sonstige Erwerbszwecke verstanden. Der Grundsatz der Selbstlosigkeit ist deshalb auch dann nicht erfüllt, wenn ein Verein die eigenwirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder oder bei einer gGmbH seiner Gesellschafter verfolgt, da diese Interessen als gemeinnützigkeitsfremde Interessen zugunsten der Mitglieder/Gesellschafter zu verstehen sind.
Im Grundsatz geht es bei dem Kriterium der eigenwirtschaftlichen Zwecke um Fälle des mittelbaren Eigennutzes, indem eine gemeinnützige Zweckverfolgung zugleich den wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder einer Einrichtung dient.
Dass Mittel einer Körperschaft nur für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden dürfen, schließt ein, dass den Mitgliedern des jeweiligen Rechtsgebildes in ihrer Eigenschaft als Mitglieder keine wirtschaftlichen Vorteile zukommen dürfen. Die Förderung von schädlichen Interessen in diesem Sinne zugunsten der Mitglieder ist immer dann besonders kritisch zu sehen, wenn der Kreis der geförderten Personen mit dem Kreis der Mitglieder der fördernden Körperschaft identisch ist (BFH vom 22.08.1952, BStBl II 1952, 270).
Im Grundsatz wird der ausschließlichen gemeinnützigen Zweckverfolgung auf der Ebene der Körperschaft ein weiteres Prüfelement auf der Ebene der Mitglieder hinzugefügt. Es sollen also vorwiegend nicht die Mitglieder begünstigt werden, vereinfacht gesagt: "Gemeinnutz geht vor Eigennutz".
In diesem Zusammenhang ist auf ein neues Urteil des BFH vom 22.08.2019 (BStBl II 2020, 40) hinzuweisen. Dem Urteil lag ein Fall zugrunde, in dem vier Gesellschafter eine gemeinnützige GmbH gegründet hatten, die als Förderkörperschaft ausgestaltet war und sich der Förderung des Gesundheitswesens verschrieben hatte. Die Besonderheit bestand darin, dass diese vier Personen zu 98 % Kommanditisten einer GmbH & Co. KG waren, der die gGmbH ein Darlehen gewährt hatte. Die Mittel hierzu stammten aus dem Spendenaufkommen der Gesellschafter in die gGmbH. Der BFH hat hierzu entschieden, dass ein Abwägungsverbot zwischen dem eigenwirtschaftlichen Vorteil, nämlich der Finanzierung der KG, und der Förderung der Allgemeinheit zu ziehen sei. In dieser Gesamtschau reichen die gleichzeitig vorgenommenen Förderungen im Sinne des § 58 Nr. 1 AO (Anhang 1b), die tatsächlich für Zwecke des Gesundheitswesens gegeben wurden, nicht aus, um das Überwiegen der eigenwirtschaftlichen Zwecke zu verhindern. Der BFH hat im Grundsatz festgestellt, dass die gGmbH die Finanzierung der Personengesellschaft sichergestellt hat und damit deren eigenwirtschaftliche Zwecke und deren Gesellschafter gefördert hat. In diesem Urteil hat der BFH im Übrigen auch festgestellt, dass in solchen Fällen eine Einschränkung der Selbstlosigkeit auch durch Steuervorteile entstehen kann. Denn durch den Spendenabzug bei den Gesellschaftern wurde ein Steuervorteil erlangt. Die Zinsen, die der Darlehensnehmer (die KG) zahlen musste, waren bei dieser Betriebsausgaben, währenddessen die gGmbH die Zinsen körperschaftsteuerfrei nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG (Anhang 3) vereinnahmen konnte. Der BFH sah hier einen Steuervorteil, den die gGmbH mittelbar den anderen Beteiligten ermöglicht hatte, und der deshalb als schädlich für die Selbstlosigkeit anzusehen sei.
Eigenwirtschaftliche Zwecke können aber auch dann vorliegen, wenn die Tätigkeit der Körperschaft darauf gerichtet ist, ihr Vermögen und ihr Einkommen zu erhöhen (BFH vom 26.04.1989, BStBl II 1989, 670; AEAO Nr. 1 Satz 2 zu § 55 AO, Anhang 2). Im Urteil vom 28.06.1989 (BStBl II 1990, 550) hat der BFH auch entschieden, dass Eigenwirtschaftlichkeit auch dann gegeben ist, wenn eine Körperschaft ausschließlich durch Darlehen ihrer Gründungsmitglieder finanziert ist und diese dieses Fremdkapital satzungsmäßig tilgen und verzinsen muss (vgl. auch AEAO Nr. 1 Satz 3 zu § 55 AO, Anhang 2).