Stand: EL 126 – ET: 04/2022
Die Zweckbetriebsaufzählung in § 68 Nr. 1a AO (Anhang 1b) umfasst auch Erholungsheime. Diese sind dann als steuerbegünstigte Zweckbetriebe anzusehen, wenn sie im besonderen Maße (zu mindestens 2/3) den in § 53 AO (Anhang 1b) bestimmten hilfsbedürftigen Menschen dienen. Auf der Grundlage des Urteils des BFH vom 22.11.1972 (BStBl II 1973, 251) setzt dies voraus, dass die Erholungsmaßnahme einem besonders schützenswürdigen Personenkreis (z. B. Behinderten, Jugendlichen, alten Menschen) zugutekommt. Klassisches Beispiel für Erholungsheime in diesem Sinne sind die Einrichtungen des Müttergenesungswerks.
Nach § 53 AO (Anhang 1b) verfolgt eine Körperschaft durch einen Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege, wie z. B. einem Erholungsheim, immer dann mildtätige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, Personen selbstlos zu unterstützen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes (persönliche Hilfsbedürftigkeit) auf die Hilfe anderer angewiesen sind oder deren Bezüge nicht höher sind als das Vierfache des Regelsatzes des § 28 SGB XII. Beim Alleinstehenden oder Haushaltsvorstand tritt an Stelle des Vierfachen das Fünffache des Regelsatzes nach § 28 SGB XII. S. "Wohlfahrtspflege".
Heime, in denen Erholungssuchende "nur" Unterkunft und Verpflegung erhalten, können im Regelfall keine gemeinnützigen Einrichtungen sein, weil ein Wettbewerb zu Pensionen, Hotels und Gasthäusern nicht auszuschließen ist (s. § 65 Nr. 3 AO, Anhang 1b).
Eine steuerbegünstigte Einrichtung und somit ein steuerfreier wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (Zweckbetrieb) liegt nur dann vor, wenn es sich um Einrichtungen der Wohlfahrtspflege handelt (s. §§ 68 Nr. 1a, 66 Abs. 3, 53 AO, Anhang 1b). Zum Begriff der Wohlfahrtspflege s. "Wohlfahrtspflege".
In der Rechtsprechung finden sich zahlreiche Entscheidungen:
- Die Führung eines Erholungsheimes auf christlicher Grundlage und mit seelsorgerischer Betreuung ist im Falle des Urteils des BFH vom 28.10.1960, BStBl III 1961, 109 als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i. S. v. § 14 AO (Anhang 1b) angesehen worden, weil es mit anderen Beherbergungsunternehmen in Wettbewerb getreten ist.
- Die Führung eines Erholungsheimes durch einen Berufsverband ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Ob der Zweck eines Berufsverbandes auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, richtet sich beim Auseinanderfallen von Tätigkeiten und Satzung nach der tatsächlichen Geschäftsführung (BFH vom 22.11.1955, BStBl III 1956, 29).
- Vereine, die die allgemeine Erholung arbeitender Personen bezwecken, sind nicht gemeinnützig und können keine Steuerbegünstigung erhalten (BFH vom 22.11.1972, BStBl II 1973, 251).
Das FG Baden-Württemberg vom 20.09.1990, AZ: III K 332/87 hat entschieden, dass die Umsätze aus dem Betrieb eines Erholungsheimes dem Regelsteuersatz unterliegen. Nach den Ausführungen des Finanzgerichts handelt es sich bei dem Erholungsheim um keinen Zweckbetrieb i. S. v. §§ 65–68 AO (s. Anhang 1b), sondern um einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, mit dem u. U. partielle Steuerpflicht ausgelöst wird, weil die Voraussetzungen des § 65 Nr. 1–3 AO (s. Anhang 1b) nicht erfüllt sind.
Die Entscheidung wäre nach Auffassung des Gerichts dann anders zu treffen, wenn das Erholungsheim überwiegend ganz der gesundheitlichen Förderung bedürftiger oder minderbemittelter Personen dienen würde und die Leistungen dem Personenkreis zu Niedrigstpreisen zur Verfügung stünden.
- So hat auch das FG Köln mit Urteil vom 19.02.2015 (13 K 3354/10, DStRE 2016, 1369) entschieden, dass eine wie ein Hotel geführte Ferien- und Bildungsstätte kein Zweckbetrieb i. S. d. § 68 AO (Anhang 1b) ist. Im Revisionsverfahren hat der V. Senat des BFH im Urteil vom 21.09.2016, AZ: V R 50/15, BStBl II 2017, 1173 festgestellt, dass ein solches Hotel ("Familienhotel") auch kein Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege ist, wenn die Zwei-Drittel-Grenze des § 53 AO (Anhang 1b) nicht nachgewiesen ist. Aus dem gleichen Grund hat der BFH auch einen Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 1 AO (Anhang 1b) abgelehnt.
Umsatzsteuerlich können Leistungen i. S. d. § 4 Nr. 18 UStG, des § 4 Nr. 23 UStG (Unterbringung von Jugendlichen) oder § 4 Nr. 25 UStG vorliegen. Die Anwendung des § 4 Nr. 18 UStG setzte bisher u. a. voraus, dass es sich um eine Einrichtung der freien Wohlfahrtspflege handelt oder einer solchen, die einem Wohlfahrtsverband (§ 23 UStDV – vgl. Anhang) angeschlossen ist. Weitere Voraussetzungen waren die Unmittelbarkeit und das Abstandsgebot (für die Leistungen dürfen keine höheren Entgelte erhoben werden als von Wirtschaftsunternehmen). Heute muss eine Einrichtung ohne systematisches Gewinnstreben vorliegen.
Die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 23 UStG hingegen setzt voraus, dass es sich um die Beherbergung, Beköstigung und Bildung Jugendlicher handelt. Dies bedeutet, dass § 4 Nr. 23 UStG nur greift, wenn die Heime überwiegend Jugendliche für Erziehung, Ausbildung oder Fortbildungszwecke aufnehme...