I. Allgemeines
Tz. 1
Stand: EL 132 – ET: 06/2023
Das Thema Tax Compliance ist mittlerweile für (gemeinnützige oder nicht gemeinnützige) Vereine genauso relevant wie für alle anderen Steuerpflichtigen. Seit der erstmaligen Äußerung der Finanzverwaltung zum Erfordernis einer Tax Compliance im Anwendungserlass zur Abgabenordnung im Jahr 2015 sind mittlerweile knapp acht Jahre vergangen. Verfügt ein Verein heute nicht über erforderliche Strukturen im Hinblick auf die Einhaltung steuerlicher Pflichten, wird dies regelmäßig mit der Eröffnung von Bußgeldverfahren oder – in gravierenden Fällen – auch mit Strafverfahren geahndet, wenn im Rahmen von steuerlichen Außenprüfungen Fehler in der steuerlichen Handhabung aufgedeckt wurden. Nicht nur aus strafrechtlichen Erwägungen, sondern auch aus steuerlichen Gründen sollte sich der Vorstand des Vereins mit der Thematik befassen und darüber entscheiden, ob ein sog. Tax Compliance Management System (CMS) eingeführt wird. Hier ist jedoch unbedingt darauf zu achten, dass kein vorgefertigtes System dem Verein übergestülpt wird. Vielmehr muss ein solches Tax CMS an die konkreten Belange des jeweiligen Vereins angepasst werden. Fehlt es künftig an einem wirksamen Tax CMS, kann dies unmittelbar dem jeweiligen Vereinsvorstand vorgeworfen werden. Die Konsequenz kann bei entsprechend eingetretenen etwaig strafrechtlich relevanten steuerlichen Verstößen die Eröffnung eines Bußgeldverfahrens gegen den Verein, die Eröffnung von Bußgeld- oder Strafverfahren gegen die verantwortlichen oder gegen die handelnden Personen des Vereins bis hin zum Verlust der Gemeinnützigkeit sein. Dieser wäre dem Vorstand anzulasten, der sich gegen die Einführung eines Tax CMS ausgesprochen bzw. dieses pflichtwidrig nicht eingeführt hat. Die Konsequenz hieraus können Haftungs- und Schadensersatzansprüche des Vereins gegen diesen Vorstand sein, die er aus gemeinnützigkeitsrechtlichen Grundsätzen heraus (Drittbegünstigungsverbot) geltend machen muss.
II. Was ist überhaupt Tax Compliance?
Tz. 2
Stand: EL 132 – ET: 06/2023
Der Begriff der Tax Compliance meint eigentlich eine Selbstverständlichkeit, nämlich die Gewährleistung der Einhaltung steuerrechtlicher Normen. Die Begrifflichkeit selbst stammt aus dem angelsächsischen Rechts- und Kulturkreis. Dieser ist von dem Gedanken geprägt, die dem Staat zur Verfügung stehenden Mittel und Ressourcen dadurch zu schonen, dass der Steuerpflichtige nachweisbar zu gewährleisten hat, gesetzlichen Regelungen Folge zu leisten. Die Frage an einen deutschen Steuerpflichtigen, was genau dafür getan wird, die Einhaltung der Steuerrechtsnormen zu gewährleisten, wird dagegen regelmäßig nicht beantwortet werden können. Kommt es zu Verfehlungen, die etwa im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung festgestellt werden, muss der Steuerpflichtige im Zweifel nachweisen, was er getan hat, um grundsätzlich solche Verstöße zu vermeiden. Anderenfalls besteht das Risiko, dass der Betriebsprüfer ihm unterstellt, er habe riskiert, dass das Einhalten der Steuernormen mehr oder weniger dem Zufall überlassen wurde. Im Zweifel wird der Steuerstrafrechtler hieraus den Vorwurf einer mangelnden organisatorischen Struktur ableiten, den er zumindest als Ordnungswidrigkeit (sog. Organisationsverschulden) beurteilen wird.
Tz. 3
Stand: EL 132 – ET: 06/2023
Der Begriff der Compliance stammt eigentlich aus der Medizin und bezeichnet hier die Überprüfung durch den Arzt, ob der Patient die ihm verschriebenen medizinischen und therapeutischen Maßnahmen verfolgt. Kann der Arzt das bejahen, gilt der Patient als "complied". Diesen Gedanken hat sich zunächst das Gesellschaftsrecht (hier konkret das Aktienrecht) zunutze gemacht und dem Vorstand einer Aktiengesellschaft auferlegt, Organisationsmechanismen einzuführen, die gewährleisten, dass sämtliche Rechtsnormen befolgt werden. Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft wurde verpflichtet, zu prüfen, ob der Vorstand seinen diesbezüglichen Pflichten nachgekommen ist. Im sog. Deutschen Corporate Governance Kodex wurde der Begriff der Compliance in Bezug auf börsennotierte Unternehmen wie folgt beschrieben "Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin (Compliance)".
Tz. 4
Stand: EL 132 – ET: 06/2023
Mittlerweile wird der Begriff der Compliance über die Grenzen des Medizin- und des Aktienrechts hinaus in allen Rechtsbereichen angewandt und bezeichnet allgemein das regelgerechte Verhalten durch Steuerpflichtige sowie das Ergreifen geeigneter Maßnahmen und das Schaffen erforderlicher Vorkehrungen. Die Tax Compliance meint also die Einhaltung sämtlicher Steuernormen sowie der bilanziellen und sonstigen Normen mit steuerlichem Bezug und steuerlicher Relevanz. Der Begriff der Norm ist weit zu verstehen und erfasst z. B. auch vereinsinterne Regelungen mit Steuerbezug (z. B. Vorgaben, wie Zuwendungsbestätigungen auszustellen sind oder wie mit Spendengeldern zu verfahren ist).
III. Warum ist Tax Compliance nötig?
Tz. 5
Stand: EL 132 – ET: 06/2...