Tz. 247
Stand: EL 133 – ET: 08/2023
Die Umsatzsteuer schuldet im Regelfall derjenige, der eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistung erbringt (der Leistende). Sitzt der Leistende im Ausland, erbringt aber eine Leistung in Deutschland (z. B. der polnische Klempner), schuldet er dem deutschen Finanzamt gegenüber deutsche Umsatzsteuer. Allerdings sieht es der Gesetzgeber als nicht sinnvoll an, wenn sich das Finanzamt an den Unternehmer mit Sitz in Polen wenden müsste, um die deutsche Umsatzsteuer von diesem einzutreiben. Daher sieht das Gesetz vor, dass in solchen Fällen der deutsche Leistungsempfänger (d. h. der deutsche Auftraggeber des polnischen Klempners) die Umsatzsteuer für den polnischen Auftragnehmer schuldet. Vorteil dieser Regelung ist, dass das deutsche Finanzamt beim deutschen Auftraggeber die Umsatzsteuer ohne Probleme eintreiben kann. Weiterer Vorteil ist, dass es letztlich zu einer Besteuerung an der Quelle kommt, da der Auftraggeber ja den vereinbarten Preis zahlen muss und dementsprechend über ausreichende Finanzmittel verfügen muss. Allerdings soll diese Regel nicht für jeden Auftraggeber mit Sitz in Deutschland gelten, sondern nur für solche, die dem Finanzamt ohnehin schon umsatzsteuerlich bekannt sind. Das sind Unternehmer und juristische Personen. Beauftragen diese eine Leistung, die von einem Unternehmer mit Sitz außerhalb Deutschlands erbracht werden, schulden die Auftragnehmer die Umsatzsteuer. Der ausländische Auftragnehmer (im Beispiel der Pole) darf in seiner Rechnung keine Umsatzsteuer ausweisen.
Allerdings gilt dieses sog. Reverse-Charge-Verfahren (Umkehr der Steuerlast) nur für sog. Werklieferungen und sonstige Leistungen (d. h. in der Regel für Dienstleistungen).
Neben den vorstehend geschilderten Fällen, in denen ein ausländischer Auftragnehmer eine Leistung erbringt, gilt die Umkehr der Steuerlast für weitere Sachverhalte, auch ohne Auslandsbezug. Hintergrund ist für diese Regelungen, dass der Gesetzgeber regelmäßig dem Leistenden nicht traut und deshalb die Steuerlast beim Leistungsempfänger (Auftragnehmer) anordnet. Die Vorschrift des § 13b UStG (Anhang 5) ist damit eine Umsatzsteuerhinterziehungs-Vermeidungsvorschrift, die in ihrem Anwendungsbereich immer weiter ausgedehnt wird.
Auch Kleinunternehmer i. S. d. § 19 UStG (Anhang 5) und Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Leistungen tätigen, schulden die Steuer als Auftraggeber eines ausländischen Unternehmers (Abschn. 13b.1 Abs. 1 UStAE).
Tz. 248
Stand: EL 133 – ET: 08/2023
Die Steuer entsteht bei sonstigen Leistungen an Unternehmer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind (s. § 13b Abs. 1 UStG, Anhang 5). Für folgende steuerpflichtigen Umsätze i. S. d. § 13b Abs. 2 UStG (Anhang 5) schuldet der Leistungsempfänger die Steuer:
- Werklieferungen und nicht unter § 13b Abs. 1 UStG (Anhang 5) fallende sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers;
- Lieferungen von sicherungsübereigneten Gegenständen durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens;
- Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen;
- Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG (Anhang 5) bleibt unberührt;
- Lieferungen der in § 3g Abs. 1 Satz 1 UStG (Anhang 5) genannten Gegenstände (z. B. Gas, Elektrizität) eines im Ausland ansässigen Unternehmers unter den dort genannten Bedingungen;
- Übertragung von Berechtigungen nach § 3 Nr. 3 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes u. Ä.;
- Lieferungen der in der Anlage 3 zu § 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG (Anhang 5) bezeichneten Gegenstände (z. B. Abfälle und Schrott aus Kupfer, Nickel);
- Reinigen von Gebäuden und Gebäudeteilen;
- Lieferungen von Gold mit einem Feingehalt von mindestens 325 Tausendstel, in Rohform, als Halbzeug oder Goldplattierung;
- Lieferungen von Mobilfunkgeräten sowie von integrierten Schaltkreisen vor Einbau im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs von mindestens 5 000 EUR.
Tz. 249
Stand: EL 133 – ET: 08/2023
Der Leistende (Sportler, Künstler etc.) ist verpflichtet, dem Leistungsempfänger, der die Steuer schuldet, eine Rechnung zu erteilen. Die Steuer ist in dieser Rechnung nicht gesondert auszuweisen (s. § 14a Abs. 5 UStG, Anhang 5). Auch eine Gutschrift, die vom Leistungsempfänger erteilt werden kann, ist eine Rechnung. Neben den übrigen Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG (Anhang 5) ist in den Rechnungen auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinzuweisen (s. § 14a Abs. 5 Satz 2 UStG, Anhang 5). Weist der leistende Unternehmer (fehlerhaft) die Steuer in der Rechnung gesondert aus, wird diese Steuer von ihm nach § 14c Abs. 1 UStG (Anhang 5) geschuldet. In derartigen Fällen kann die Steuer aber bei einer entsprechenden Rechnungskorrektur vom Finanzamt zurückverlangt werden. Die Rechnungskorrektur ist mit Rückwirkung möglich, so ...