Dipl.-Finanzwirt Kirsten Happe
[Steuervergünstigungen für Menschen mit Behinderung → Zeilen 4–9]
Menschen mit (körperlicher, geistiger oder psychischer) Behinderung können ab einem Grad der Behinderung von 20 % behinderungsbedingte (Mehr-)Kosten als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd geltend machen. Es besteht die Wahlmöglichkeit, die Kosten im Einzelnen nachzuweisen und nach Abzug der Eigenbelastung nach § 33 EStG geltend zu machen oder einen Pauschbetrag (§ 33b EStG) in Anspruch zu nehmen.
Die Höhe des Pauschalbetrages hängt von Art (Merkzeichen) und Grad der Behinderung ab. Deshalb müssen Sie bei erstmaliger Antragstellung oder jeder Änderung eine Kopie des Schwerbehindertenausweises oder ein anderer Nachweis über den Grad der Behinderung vorlegen. Änderung ab dem 1.1.2026: Bei Neufeststellungen oder, wenn die Feststellung einer Behinderung geändert wird, setzt § 33b Abs. 3 EStG zwingend eine elektronische Datenübermittlung der für die Feststellung einer Behinderung zuständigen Stelle an die zuständige Finanzbehörde voraus.
Die behinderten Kindern zustehenden Vergünstigungen können auf die Eltern übertragen werden. Die Übertragung muss auf der Anlage Kind beantragt werden.
Statt des Pauschbetrags können die tatsächlichen behinderungsbedingten Mehraufwendungen auch (auf Nachweis) als allgemeine außergewöhnliche Belastungen (Zeilen 27 ff. bzw. 33) geltend gemacht werden.
Höhe des Pauschbetrags (Staffelsätze)
Abhängig vom Grad der Behinderung verändert sich die Höhe des Pauschbetrags für Menschen mit Behinderung. Für Blinde (Merkzeichen "Bl" im Schwerbehindertenausweis), Taubblinde ("TBl"), hilflose Menschen (Merkzeichen "H" im Schwerbehindertenausweis) und schwerstpflegebedürftige Menschen (Pflegegrade 4 bzw. 5) beträgt der Pauschbetrag 7.400 EUR im Jahr (§ 33b Abs. 3 Satz 3 EStG).
Für andere behinderte Menschen gelten die folgenden Beträge (§ 33b Abs. 3 EStG) ab einem Grad der Behinderung von mindestens:
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Grad der Behinderung |
Höhe des Pauschbetrags |
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20 % |
384 EUR |
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30 % |
620 EUR |
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40 % |
860 EUR |
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50 % |
1.140 EUR |
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60 % |
1.440 EUR |
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70 % |
1.780 EUR |
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80 % |
2.120 EUR |
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90 % |
2.460 EUR |
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100 % |
2.840 EUR |
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Das Wahlrecht zwischen dem Abzug der tatsächlichen Kosten und dem Ansatz des Pauschbetrags kann im Kalenderjahr nur einheitlich ausgeübt werden. Entweder es werden für das ganze Jahr die Kosten im Einzelnen nachgewiesen oder der (höhere) Pauschbetrag kommt zum Ansatz. Die Pauschbeträge sind immer Jahresbeträge (keine monatliche Aufteilung). Ändert sich der Grad der Behinderung im Laufe des Jahres, ist der höhere Pauschbetrag anzusetzen (R 33b Abs. 8 EStR 2012).
Nachweis der Behinderung
Der Abzug von behinderungsbedingten Mehraufwendungen setzt den Nachweis des Grads der Behinderung voraus.
Ein Grad der Behinderung unter 50 % ist bei erstmaligem Antrag durch geeignete Unterlagen (Bescheinigung des Versorgungsamts bzw. der zuständigen Behörde oder Rentenbescheid) nachzuweisen. Ab einem Grad der Behinderung von 50 % ist bei erstmaliger Geltendmachung die Vorlage des Schwerbehindertenausweises erforderlich. Im Ausweis stehen ggf. auch die Merkmale "blind (Bl)", "taubblind (TBl)" oder "hilflos (H)". Die Einstufung in die Pflegegrade 4 oder 5 wird durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung bescheinigt (§ 65 EStDV).
Wirkung des Pauschbetrags
Mit dem Ansatz des Pauschbetrags für behinderte Menschen sind die laufenden (gewöhnlichen) und typischen pflege- und behindertenbedingten Kosten abgegolten. Darunter fallen z. B.:
- Kosten für Pflege (ambulante Pflegekraft, Pflegedienst, Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflege),
- Aufwendungen für Hilfe und Unterstützung bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens,
- Futter- und Pflegekosten für einen Blindenhund,
- Heimkosten (Pflege, Verpflegung und Unterkunft),
- Kosten für Stärkungsmittel und diätische Lebensmittel (Nahrungsergänzung),
- Aufwendungen für Waschen und Hygieneartikel,
- laufende Wartungskosten für Spezialrauchmelder oder Hausnotrufsysteme.
Kosten wegen Pflegebedürftigkeit
Da mit der Inanspruchnahme des Pauschbetrags für behinderte Menschen nach § 33b Abs. 3 EStG auch die Kosten wegen dauernder Pflegebedürftigkeit abgegolten sind, ist ein Abzug von (höheren) tatsächlichen Pflegeaufwendungen nach § 33 EStG oder von Pflegeleistungen im Haushalt nach § 35a EStG (Haushaltsnahe Aufwendungen) nur bei Verzicht auf den Pauschbetrag möglich.
Zusätzlich zum Pauschbetrag können nach § 33 EStG (unter Anrechnung der zumutbaren Eigenbelastung) als außergewöhnliche Belastungen z. B. noch berücksichtigt werden:
- Krankheitskosten (auch wenn in Zusammenhang mit der Behinderung, z. B. Kosten einer Operation oder Heilbehandlung, Medikamente, Arztkosten)
- Aufwendungen für medizinische Hilfsmittel (Rollstuhl, Sitzerhöhung, Haltegriffe)
- Kraftfahrzeugkosten für Privatfahrten
- Kurkosten
- notwendige Kosten für Begleitperson im Urlaub bei hilflosen Menschen; anerkannt wurden von der Rspr. als angemessen 767 EUR/Jahr (BFH, Urteil v. 4.7.2002, III R 58/98, BFH/NV 2002 S. 1527)...