Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs
Leitsatz (NV)
Ein Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit muß sich gegen bestimmte Richter wenden. Unzulässig ist ein Gesuch, das den Senat als ganzes - ,,insbesondere den Berichterstatter" - ablehnt.
Normenkette
FGO § 51; ZPO § 42
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beantragte vor dem Finanzgericht (FG) zu Beginn der mündlichen Verhandlung am 8. Dezember 1987 unter Bezugnahme auf einen überreichten Schriftsatz vom 7. Dezember 1987 Vertagung. In dem Protokoll über die mündliche Verhandlung heißt es dann: ,,Auf den Hinweis hin, daß die vorgetragenen Gründe eine Vertagung nicht rechtfertigen, lehnte der Kläger den gesamten Senat ab und überreichte einen Schriftsatz vom 8. Dezember 1987". In dem Schriftsatz heißt es einleitend: ,,Ich stelle beim FG . . . den Antrag, den . . . Senat von seiner Tätigkeit in meiner Sache und der Sache meiner Mutter zu entbinden, weil die Art und Weise, wie insbesondere der Berichterstatter Dr. D, sich gegen mich verhält, nur den Schluß zuläßt, daß er zu meinen Ungunsten befangen ist . . ."
Das FG wies das Ablehnungsgesuch in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung als unzulässig zurück. Die Beteiligten verhandelten daraufhin zur Sache. Es erging ein klagabweisendes Urteil, das mit der Nichtzulassungsbeschwerde und mit der Revision angegriffen worden ist.
Der Kläger macht mit der Beschwerde geltend: Sein Ablehnungsgesuch habe sich in erster Linie gegen den Berichterstatter Dr. D und im übrigen gegen die einzelnen Richter des FG-Senats gerichtet. Auf Unklarheiten hätte ihn der Vorsitzende hinweisen müssen. Er habe sich seit Ergehen der Ladung vergeblich mit gewichtigen Gründen um eine Terminsverlegung bemüht. Da ihm keine gewichtigen Gegengründe mitgeteilt worden seien, habe sich in ihm der Eindruck verfestigt, man habe ihn ,,überfahren" wollen. Von einer Prozeßverschleppung könne keine Rede sein. Zu berücksichtigen sei auch, daß die Terminsladung unwirksam gewesen sei und ihm durch das Verhalten des FG die erforderliche Zeit für die Vorbereitung des Termins verkürzt worden sei.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 51 der Finanzgerichtsordung (FGO) i. V. m. § 42 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgesuch muß sich gegen einen bestimmten Richter richten. Denn Befangenheit ist eine Eigenschaft der Person des einzelnen Richters, die geeignet ist, Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu begründen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Dies schließt nicht aus, daß mehrere oder sogar alle Richter eines Spruchkörpers befangen sein können und sich dann ein Ablehnungsgesuch gegen diese mehreren Richter richten kann. Werden indessen nicht mehrere einzelne Richter abgelehnt, sondern der Spruchkörper insgesamt, ist das Ablehnungsgesuch unzulässig; in diesem Fall kann der abgelehnte Spruchkörper in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung über das Gesuch entscheiden (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Mai 1986 I B 70/85, BFH/NV 1987, 653; vom 7. Mai 1987 III S 14/87, BFH/NV 1988, 113; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, § 51 Anm. 19; s. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 19. Oktober 1977 2 BvC 3/77, BVerfGE 46, 200).
Das FG konnte danach das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 8. Dezember 1987 als unzulässig behandeln. Das Gesuch bezog sich ausdrücklich auf die Tätigkeit des ,,. . . Senats" des FG ,,in meiner Sache und in der Sache meiner Mutter". Es wird darin auf das Verhalten des Senats bei der Terminsvorbereitung hingewiesen, das nur den Schluß zulasse, daß ,,er (der Senat) zu meinen Ungunsten" befangen ist. Allerdings wird ,,der Berichterstatter Dr. D" namentlich benannt. Vor seinem Namen steht indessen das Wort ,,insbesondere". Es ist nicht zu beanstanden, wenn das FG aus dieser Beifügung geschlossen hat, die Namensnennung stehe für den gesamten Senat.
Es kann in diesem Zusammenhang unerörtert bleiben, ob bei der Terminsladung und -vorbereitung Verfahrensmängel vorgekommen sind. Auch ist es unerheblich, ob der Kläger das Gesuch in Prozeßverzögerungsabsicht stellte oder nicht. Unentschieden bleiben kann schließlich, ob der Vorsitzende des FG den Kläger auf die Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuchs gemäß § 76 Abs. 2 FGO aufmerksam machen mußte. Wird dies zugunsten des Klägers unterstellt, erfuhr er von der Mangelhaftigkeit seines Gesuchs noch in der mündlichen Verhandlung, als der Vorsitzende den Beschluß über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs verkündete und begründete (s. Protokoll vom 8. Dezember 1987). Der anwesende Kläger hätte nunmehr ein neues Ablehnungsgesuch stellen können, das die Mängel seines ersten Gesuchs vermied.
Fundstellen
Haufe-Index 416254 |
BFH/NV 1990, 508 |