Leitsatz (amtlich)
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheids ist auch statthaft, wenn das FG im Hauptverfahren der Klage stattgegeben hat und das Urteil angefochten ist (Abweichung vom Beschluß des VI. Senats des BFH VI S 8/66 vom 21. Juli 1967, BFH 89, 105, BStBl III 1967, 542).
Normenkette
FGO § 69
Tatbestand
Zu entscheiden ist in der die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer-Bescheide 1954 bis 1957 betreffenden Sache, ob die Antragstellerin (Steuerpflichtige) als Ehefrau eines in Konkurs gefallenen und mittlerweile verstorbenen Gewerbetreibenden die zu Lebzeiten ihres Ehemannes entstandenen Verluste mit den positiven Einkünften in diesen Jahren ausgleichen (§ 2 Abs. 2 EStG) und vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 10d EStG) kann.
Das FG gab der Steuerpflichtigen auf ihre Klage insbesondere unter Berufung auf das Urteil des BFH IV 210/62 S vom 7. November 1963 (BFH 78, 172, BStBl III 1964, 70) ganz überwiegend Recht.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO), der die Einkommensteuer 1954 bis 1957 und das NOB 1954 bis 1956 betreffenden Bescheide ist statthaft. Dem steht nicht entgegen, daß das FG der Steuerpflichtigen in der Hauptsache zum größten Teil Recht gegeben hat. Denn das FA hat gegen das Urteil des FG Revision eingelegt. Bei der Klage der Steuerpflichtigen, mit der sie die Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden begehrt, handelt es sich um eine Anfechtungsklage im Sinn des § 40 Abs. 1 FGO. Das auf eine Anfechtungsklage ergehende Urteil beseitigt oder ändert den angefochtenen Verwaltungsakt erst, wenn es formell rechtskräftig geworden ist (vgl. Beschluß des Bundessozialgerichts - BSG - 12 RJ 408/66 vom 23. Juni 1967, Monatsschrift für Deutsches Recht 1967 S. 871). Ein auf eine Anfechtungsklage ergehendes Urteil kann in der Hauptsache nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden (§ 151 Abs. 3 FGO). Daraus ergibt sich, daß die im angefochtenen Urteil des FG ausgesprochene Aufhebung oder Änderung der gegen die Steuerpflichtige ergangenen Steuerbescheide noch nicht wirksam ist, weil das FA das Urteil des FG mit der Revision angefochten hat. Das FA kann deshalb die angefochtenen Steuerbescheide weiterhin vollziehen. Der Antrag der Steuerpflichtigen an den BFH, die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide auszusetzen, ist daher auch insoweit statthaft, als das FG ihr im Hauptverfahren Recht gegeben hat. Der VI. Senat des BFH hat auf Anfrage des Senats erklärt, daß er an seiner im Beschluß VI S 8/66 vom 21. Juli 1967 (BFH 89, 105, BStBl III 1967, 542) geäußerten Ansicht nicht festhalte, die Vollziehung von Steuerbescheiden könne nicht ausgesetzt werden, wenn das FG im Hauptverfahren dem Begehren des Steuerpflichtigen stattgegeben habe; der Steuerpflichtige könne in einem solchen Fall nur Erstattung der bereits gezahlten Steuern nach §§ 150 ff., 229 Nr. 7 AO begehren.
Fundstellen
Haufe-Index 67774 |
BStBl II 1968, 825 |
BFHE 1968, 412 |