Entscheidungsstichwort (Thema)
Inländischer Familienwohnsitz eines Arbeitnehmers während seines beruflichen Auslandsaufenthaltes
Leitsatz (NV)
1. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung hat ein Ehemann einen steuerlichen Wohnsitz dort, wo seine Familie ständig wohnt. Dies gilt jedenfalls solange, als der Ehemann nicht von seiner Familie getrennt lebt.
2. Eine Zweitwohnung des Ehemannes begründet nicht notwendigerweise einen steuerlichen Wohnsitz für die Ehefrau (Lebensgefährtin).
Normenkette
AO 1977 § 8
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.
Um eine Divergenz i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) schlüssig zu begründen, muß der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) einen abstrakten Rechtssatz bezeichnen, der in dem erstinstanzlichen Urteil enthalten ist und dasselbe trägt. Dem Rechtssatz ist ein abweichender Rechtssatz aus der näher zu bezeichnenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gegenüberzustellen. In diesem Sinne enthält die Beschwerdebegründung nur die Rüge, das Finanzgericht (FG) habe die BFH-Urteile vom 26. Juli 1972 I R 138/70 (BFHE 106, 537, BStBl II 1972, 949) und vom 23. November 1988 II R 139/87 (BFHE 155, 29, BStBl II 1989, 182) nicht beachtet, indem es ausschließlich auf den Familienwohnsitz und nicht auf die Frage abgestellt habe, ob der Familienwohnsitz dem Kläger als Bleibe gedient habe. Diese Rüge greift jedoch nicht durch.
§ 8 der Abgabenordnung (AO 1977) setzt eine Wohnung und das Innehaben derselben durch den Steuerpflichtigen unter bestimmten Umständen voraus. Die Umstände müssen darauf schließen lassen, daß der Steuerpflichtige die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Diese Voraussetzungen sieht der BFH in ständiger Rechtsprechung, bezogen auf einen Ehemann einerseits und dessen Familienwohnung andererseits, als erfüllt an (vgl. BFH-Urteile vom 27. Januar 1972 I R 105/70, nicht veröffentlicht -- NV --; vom 11. April 1984 I R 230/80, NV; vom 6. Februar 1985 I R 23/82, BFHE 143, 217, BStBl II 1985, 331; vom 26. Februar 1986 II R 200/82, BFH/NV 1987, 301). Entsprechend hat ein Ehemann grundsätzlich einen Wohnsitz dort, wo seine Familie ständig wohnt. Dies gilt jedenfalls solange, als der Ehemann nicht von seiner Familie getrennt lebt.
Das BFH-Urteil in BFHE 106, 537, BStBl II 1972, 949 besagt nichts anderes. Es betrifft nicht die Frage, ob die Familienwohnung eines Ehemannes dessen Wohnsitz begründet. Vielmehr handelte es sich in dem Urteilsfall um ein Einfamilienhaus, das ein Ehemann als "Zweitwohnung" neben der Familienwohnung hielt und anläßlich gelegentlicher Aufenthalte in der Bundesrepublik Deutschland nutzte. Das Erfordernis, daß die Wohnung dem Steuerpflichtigen als Bleibe dient, d. h., daß er sie ständig oder doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit nutzt, muß zwar für die Familienwohnung und die Zweitwohnung gleichermaßen gelten. Bei der Familienwohnung ergibt sich eine entsprechende Nutzung aber schon aus dem Umstand, daß sie von der Familie zum Mittelpunkt ihrer persönlichen Lebensführung auserkoren ist und der Ehemann ein Teil der Familie ist. Die Nutzung verlangt nicht die körperliche Anwesenheit des Ehemannes. Es reicht aus, daß er nach einer nur vorübergehenden Abwesenheit in die Familienwohnung zurückkehren wird.
Ähnlich verhält es sich mit dem BFH-Urteil in BFHE 155, 29, BStBl II 1989, 182. Auch in diesem Urteilsfall geht es um die Frage, ob eine Wohnung, die keine "Familien"-wohnung war und in der die Steuerpflichtige sich nur gelegentlich aufhielt, deren Wohnsitz war, wenn sie daneben einen weiteren Wohnsitz im Ausland mit ihrem Lebensgefährten besaß. Auch hier hat der BFH für die Zweitwohnung auf deren Nutzung mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit abgestellt. Bei einer Familienwohnung ist diese Voraussetzung für die Familienmitglieder aber schon dadurch erfüllt, daß sie objektiv gesehen den Lebensmittelpunkt jedes einzelnen Familienmitgliedes bildet. Hierin liegt eine Nutzung der Familienwohnung i. S. des § 8 AO 1977, ohne daß es auf die körperliche Anwesenheit jedes einzelnen Familienmitgliedes ankommt.
Fundstellen
Haufe-Index 420352 |
BFH/NV 1995, 753 |