Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels in einer NZB
Leitsatz (NV)
- Das Sitzungsprotokoll ist auch dann zu verlesen, wenn die vorläufigen Aufzeichnungen gemäß § 160a ZPO über Bildschirm erfasst werden.
- Die bloße Behauptung, eine Zeugenaussage sei nach Verlesung des Sitzungsprotokolls berichtigt und dann anders protokolliert worden, genügt nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Hierzu hätte es zuvor eines hinreichend begründeten Antrags auf Protokollberichtigung bedurft.
Normenkette
FGO §§ 94, 115 Abs. 2-3, § 155; ZPO § 160 Abs. 3 Nr. 4, §§ 160a, 162, 164
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist unzulässig, da ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.
1. Die vom Kläger als Zulassungsgrund geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht ausreichend dargelegt.
Grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO liegt vor, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, genügt dafür nicht. Der Kläger muss vielmehr innerhalb der Beschwerdefrist (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) konkret auf die Rechtsfrage und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (z.B. Beschluss des BFH vom 18. August 1993 II B 46/93, BFH/NV 1994, 216). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht.
Der Kläger begründet die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache lediglich mit der Nichtbeachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben durch das Finanzgericht (FG). Er verweist auf die nach seiner Ansicht weitgehende Bestätigung seines Sachvortrags zur rechtzeitigen Anbringung der "Klageschrift" bei dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) durch die Aussage des vom FG vernommenen Zeugen. Er hält die Beweiswürdigung durch das FG und damit dessen Urteil für falsch. Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils sind aber von vornherein ungeeignet, die Revisionszulassung zu rechtfertigen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 115 Rz. 58 und 62). Eine konkrete Rechtsfrage jedenfalls, deren Klärung für die Fortbildung und die einheitliche Anwendung des Rechts wesentlich sein könnte, wurde in der Beschwerdeschrift nicht formuliert.
2. Ferner fehlt es an der hinreichenden "Bezeichnung" von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 3 FGO). Eine Verfahrensrüge genügt nur dann den gesetzlichen Anforderungen, wenn vor allem die Tatsachen schlüssig bezeichnet werden, aus denen sich ein Verfahrensmangel ergibt, und ferner dargelegt wird, dass das angefochtene Urteil ausgehend von der insoweit maßgebenden Rechtsauffassung des FG auf ihm beruhen kann.
a) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. Zwar wird ein Verfahrensfehler gerügt, weil die Zeugenaussage lt. Sitzungsprotokoll ―entgegen § 155 FGO i.V.m. §§ 162 Abs. 1, 160 Abs. 3 Nr. 4 der Zivilprozeßordnung (ZPO)― nicht verlesen wurde. Das Verlesen des Protokolls war hier nicht entbehrlich, da die vorläufigen Aufzeichnungen gemäß § 160a ZPO über Bildschirm erfasst und nicht unmittelbar auf einen Tonträger aufgenommen wurden. Wie bei der Kurzschriftaufnahme einer Zeugenaussage werden über Bildschirm ―anders als bei der unmittelbaren Aufnahme der Originalaussage auf einen Tonträger― nur die wesentlichen Äußerungen erfasst. Eine entsprechende Anwendung des § 162 Abs. 2 Satz 1 ZPO kommt daher nicht in Betracht.
In der Beschwerdeschrift wird aber nicht dargelegt, dass das angefochtene Urteil auf dem unterbliebenen Verlesen des Protokolls beruhen kann (Gräber, a.a.O., § 120 Rz. 38). Nach dessen Wortlaut lässt sich schon nicht ausschließen, dass die Verlesung möglicherweise im Einvernehmen mit den Beteiligten unterblieben ist. Vor allem hätte der Kläger schlüssig darstellen müssen, inwieweit die Entscheidung des FG ohne den gerügten Mangel voraussichtlich anders ausgefallen wäre (vgl. Gräber/ Koch, a.a.O., § 94 Rz. 12, und Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl., § 106 Rz. 11, m.w.N.). Der Kläger hat hingegen nur behauptet, dass ein Satz der Zeugenaussage nach deren Verlesung berichtigt und dann anders protokolliert worden wäre; hierzu hätte es jedoch zuvor eines hinreichend begründeten Antrags auf Protokollberichtigung (§ 94 FGO i.V.m. § 164 ZPO) bedurft.
b) Soweit mit der Beschwerde eine fehlerhafte Beweiswürdigung durch das FG gerügt werden soll, kommt ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nur bei Verstößen gegen zwingendes Verfahrensrecht in Betracht. Solche sind hier nicht dargetan. Im Übrigen sind die Grundsätze der Beweiswürdigung revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. September 1996 X B 76/96, BFH/NV 1997, 246, und vom 18. Dezember 1998 X B 95/98, BFH/NV 1999, 811).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen