Leitsatz (amtlich)
Die schriftliche Klagerücknahme kann auch bei dem beklagten FA eingereicht werden.
Normenkette
FGO §§ 72, 47 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger hatte wegen der im Lohnsteuer-Jahresausgleich 1966 ihm zu erstattenden Steuer beim FG ein obsiegendes Urteil erstritten, gegen das vom FA Revision eingelegt wurde. Mit Schreiben an das FA vom 23. Januar 1971 nahm der Kläger die Klage zurück und bat das FA, die nach § 72 FGO erforderliche Zustimmung zur Klagerücknahme zu erteilen. Am 29. Januar 1971 reichte das FA das Schreiben unter Erteilung der erbetenen Zustimmung an den BFH weiter.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Nach § 72 Abs. 1 FGO kann der Kläger seine Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Das kann auch noch in der Revisionsinstanz geschehen (Beschluß des Senats VI R 314/66 vom 24. Februar 1967, Sammlung der Entscheidungen des BFH 88, 111, BStBl III 1967, 294).
In § 72 FGO ist für die Rücknahme keine besondere Form vorgesehen. Nach § 155 FGO in Verbindung mit § 271 Abs. 2 Satz 2 ZPO geschieht die Zurücknahme, "wenn sie nicht in der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes". Die in dieser Form einzureichende Erklärung ist in entsprechender Anwendung des § 271 Abs. 2 Satz 1 ZPO "dem Gericht" gegenüber abzugeben. Das ist das Gericht, das zur Zeit mit der Sache befaßt ist, also auch das Rechtsmittelgericht.
Wird die Klagerücknahme schriftlich erklärt, so ist die Klage also mit dem Eingang der Erklärung bei dem zuständigen Gericht zurückgenommen. Daß die Klagerücknahme dem Gericht gegenüber zu erklären ist, bedeutet aber nicht, das Schreiben mit der Klagerücknahme müsse vom Kläger unmittelbar an das Gericht gerichtet oder bei dem Gericht eingereicht werden. Vielmehr ist § 47 Abs. 2 FGO als eine speziell für den Steuerprozeß geltende Vorschrift sinngemäß anzuwenden, wonach die Klage wirksam "bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt ... erlassen ... hat", angebracht werden kann und die Behörde die Klageschrift "unverzüglich dem Gericht zu übersenden" hat. In der gleichen Art kann auch die Klage zurückgenommen werden (ebenso Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 72 Anm. 21; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. bis 4. Aufl., § 72 FGO, Anm. 6). Die Möglichkeit der Klagerücknahme in einem Schriftsatz an das FA ist auch zweckmäßig, weil das FA nach § 72 Abs. 1 Satz 2 FGO in vielen Fällen in die Rücknahme einwilligen muß. Der an das FA gerichtete Schriftsatz muß allerdings - und insofern stimmt der Senat den Ausführungen des VII. Senats in dem Urteil VII K 8/68 vom 8. Dezember 1970 (BFH 101, 45, BStBl II 1971, 204) im Ergebnis zu - erkennen lassen, daß der Kläger die Klage dem Gericht gegenüber zurücknimmt und seine Erklärung mit seinem Wissen und Wollen dem Gericht vorgelegt wird.
So aber liegt es im hier zu beurteilenden Fall. Daß der Kläger die Klage zurücknehmen und dies letztlich dem Gericht gegenüber erklären wollte, ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut und der - in diesem Zusammenhang entscheidenden - Bitte an das FA um Zustimmung.
Wenige Tage nach dem Eingang reichte das FA den Schriftsatz an den BFH weiter und sprach dabei die erbetene Zustimmung aus. Die Zustimmung des FA war erforderlich, weil die Beteiligten bereits vor dem FG auf mündliche Verhandlung verzichtet hatten (§ 72 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Damit hat das vom Kläger beim FA eingereichte Schreiben zu einer wirksamen Klagerücknahme geführt. Nach § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO hat der Senat nunmehr das Verfahren durch Beschluß einzustellen. Da die Rücknahme in der Revisionsinstanz geschieht, ist das angefochtene Urteil des FG unwirksam geworden; diese Feststellung übernimmt der Senat in die Beschlußformel.
Eine Kostenentscheidung unterbleibt aus dem Grunde des § 144 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 69223 |
BStBl II 1971, 461 |
BFHE 1971, 483 |