Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Rüge eines Verfahrensmangels wegen Nichtberücksichtigung des Inhalts der Akten
Leitsatz (NV)
Die schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels wegen Nichtberücksichtigung des Inhalts der Akten erfordert es, unter genauer Angabe der jeweiligen Schriftstücke und Seitenzahlen aus den Akten sich ergebende wesentliche Tatumstände zu benennen, die das FG nicht berücksichtigt hat und darzulegen, dass die Entscheidung unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auf der Nichtberücksichtigung dieser Aktenteile beruhen kann.
Normenkette
FGO §§ 76, 96, 115 Abs. 2 Nr. 3; UStG 1999 § 4 Nr. 1 Buchst. a, § 6; UStDV 1999 § 8
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 21.01.2004; Aktenzeichen 3 K 3433/02) |
Tatbestand
Streitig ist, ob eine steuerfreie Ausfuhrlieferung vorliegt.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, verkaufte am 17. Januar 2000 ein Flugzeug gegen Zahlung von … US-$ ohne gesonderten Ausweis von Mehrwertsteuer an die X-Inc. A Sitz in Z, USA. Das Flugzeug und die dazugehörigen Papiere wurden an diesem Tag gegen Barzahlung auf dem Flugplatz A (im Inland) an eine nicht näher bezeichnete Person übergeben.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) legte die Klägerin trotz Aufforderung durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) keine Nachweise für die Ausfuhr vor. Daraufhin behandelte das FA den Vorgang im Umsatzsteuerbescheid für 2000 als steuerbar und steuerpflichtig.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG führte zur Begründung der Klageabweisung aus, im Streitfall habe die Klägerin die Voraussetzungen einer steuerfreien Ausfuhrlieferung --auch unter Berücksichtigung der im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen-- weder buch- noch belegmäßig nachgewiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde. Die Klägerin begehrt die Zulassung der Revision wegen Verletzung ihres rechtlichen Gehörs, wegen mangelnder Sachaufklärung durch das FG und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Im Streitfall hat die Klägerin keinen Verfahrensmangel dargelegt.
a) Ob die Entscheidung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann, beurteilt sich nach dem Rechtsstandpunkt des FG (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. August 1999 V B 52/99, BFH/NV 2000, 212).
Aus der mithin maßgeblichen Sicht des FG war die Klage wegen des fehlenden buch- und belegmäßigen Nachweises einer steuerfreien Ausfuhrlieferung abzuweisen. Dieser Mangel hätte nicht dadurch behoben werden können, dass der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angehört worden wäre.
b) Soweit die Klägerin ferner geltend macht, das FG habe bei seiner Entscheidung nicht den gesamten Akteninhalt berücksichtigt, entspricht ihr Vorbringen ebenfalls nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Die schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels wegen Nichtberücksichtigung des Inhalts der Akten (§§ 76, 96 FGO) erfordert es, unter genauer Angabe der jeweiligen Schriftstücke und Seitenzahlen aus den Akten sich ergebende wesentliche Tatumstände zu benennen, die das FG nicht berücksichtigt hat und darzulegen, dass die Entscheidung unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auf der Nichtberücksichtigung dieser Aktenteile beruhen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 21. September 2000 XI B 13/99, BFH/NV 2001, 200). Daran fehlt es.
c) Im Übrigen wendet sich die Klägerin im Kern ihres Beschwerdevorbringens gegen die Würdigung des FG in der angefochtenen Entscheidung. Dies eröffnet jedoch nicht die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. April 1999 III B 118/98, BFH/NV 1999, 1478; vom 31. Juli 2000 V S 4/00, BFH/NV 2001, 186, unter II. 2. a).
2. Die Revision kann nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden.
a) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und auf deren Klärungsbedürftigkeit und Klärbarkeit im angestrebten Revisionsverfahren sowie auf deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht. Ferner sind zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage Angaben dazu notwendig, inwiefern die richtige Antwort auf die im angestrebten Revisionsverfahren zu klärende Rechtsfrage zweifelhaft ist, in welchem Umfang und aus welchen Gründen sie umstritten ist und welche unterschiedlichen Auffassungen zu dieser Frage in der Rechtsprechung oder im Schrifttum vertreten werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. März 2002 V B 119/01, BFH/NV 2002, 1038; vom 18. Dezember 2002 VII B 110/02, BFH/NV 2003, 659).
Diesen Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Es fehlt jede Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur. Die Klägerin wendet sich in ihrer Beschwerdeschrift in der Art einer Revisionsbegründung gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung. Dies kann indessen nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 659, m.w.N.).
b) Der vorliegende Rechtsstreit hat ferner nicht im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Senats an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 10. Februar 2005 V R 59/03 (DStR 2005, 646) grundsätzliche Bedeutung. Der Senat hat mit diesem Beschluss dem EuGH u.a. die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Finanzverwaltung die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung, die zweifelsfrei vorliegt, allein mit der Begründung versagen darf, der Steuerpflichtige habe den dafür vorgeschriebenen Buchnachweis nicht rechtzeitig geführt.
Im vorliegenden Streitfall geht es dagegen nicht um die Frage, welche Folgerungen aus einem nicht rechtzeitig geführten Buchnachweis zu ziehen sind. Vielmehr hat die Klägerin nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) überhaupt keinen Buchnachweis erbracht.
Fundstellen