Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung bei falscher Rechtsmittelbelehrung; Beschwerde gegen ablehnenden PKH-Beschluß
Leitsatz (NV)
1. Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Beschwerdefrist wegen falscher Rechtsmittelbelehrung.
2. Die Beschwerde gegen die Ablehnung eines PKH-Antrages durch das FG ist grundsätzlich nicht statthaft, wenn das zugehörige Hauptsacheverfahren nicht an den BFH gelangen kann.
3. Die Beschwerde kann aber auch bei dieser Sachlage (s.o. unter 2.) ausnahmsweise noch Erfolg haben, wenn sich aus dem Vortrag des Antragstellers ergibt, daß die Erfolgsaussichten seiner Rechtsverfolgung im Stadium vor Ergehen der Sachentscheidung in der jeweiligen Hauptsache anders zu beurteilen gewesen wären. Allein der Umstand, daß eine Beweiserhebung angeordnet wurde, reicht nicht aus.
Normenkette
FGO §§ 56, 128 Abs. 3, § 129 Abs. 1, § 142; ZPO §§ 114, 127 Abs. 2
Tatbestand
Anläßlich einer Verkehrskontrolle wurden in dem damaligen Kleinlaster des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller) ... Stück unversteuerte Zigaretten in Kartons verpackt festgestellt. Der Antragsteller gab an, daß er die Zigaretten im Auftrag eines unbekannten vietnamesischen Staatsbürgers transportieren solle. Durch seine Mithilfe gelang es im Laufe der Ermittlungen, vier vietnamesische Staatsbürger festzunehmen. Das beklagte Hauptzollamt (HZA) erließ gegen den Antragsteller einen Steuerbescheid über insgesamt ... DM Eingangsabgaben. Nachdem der Einspruch erfolglos blieb, erhob der Antragsteller Klage und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids beim Finanzgericht (FG). Für beide Verfahren beantragte er die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH).
Das FG wies den Antrag auf Gewährung von PKH für beide Verfahren ab, weil die Klage und der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei summarischer Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hätten.
Der Antragsteller sei nach Art. 202 Abs. 3 Anstrich 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex -- ZK --) des Rates vom 12. Oktober 1992 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 302/1) Zollschuldner geworden, weil er die Zigaretten zumindest in Fremdbesitz gehabt habe und nach Überzeugung des Gerichts spätestens im Zeitpunkt des Beginns des Transportes wußte oder zumindest vernünftigerweise hätte wissen müssen, daß die empfangene Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen worden war.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sei auch nicht nach Art. 244 Satz 2 ZK begründet, weil keine Umstände vorgetragen worden seien, die befürchten ließen, daß dem Antragsteller durch die Vollziehung ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, ihm für das Klageverfahren und das Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung PKH zu gewähren.
Aus den vorliegenden Akten ergibt sich, daß das FG den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt und die Beschwerde nicht zugelassen hat sowie die Klage abgewiesen hat. Das FG hat auf Anfrage mitgeteilt, daß gegen das Urteil kein Rechtsmittel eingelegt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Die Beschwerde ist nicht schon deshalb unzulässig, weil sie nicht innerhalb der nach §129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgeschriebenen Beschwerdefrist von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung eingelegt worden ist. Insoweit ist dem Antragsteller, auch ohne daß er einen solchen Antrag gestellt hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§56 FGO) zu gewähren, weil die Versäumung der Beschwerdefrist auf eine falsche Rechtsmittelbelehrung zurückgeht. In der dem Beschluß beigefügten Rechtsmittelbelehrung heißt es nämlich, daß die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Beschlusses einzulegen ist. Da somit der Wiedereinsetzungsgrund aktenkundig ist und der Antragsteller die Beschwerde innerhalb der in der Rechtsbehelfsbelehrung angegebenen Frist eingelegt hat, bedurfte es keines besonderen Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §56 Rz. 58).
2. Die Beschwerde ist jedoch unzulässig, weil die Hauptsache weder im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Antrag auf Aussetzung der Vollziehung) noch im Klageverfahren an den Bundesfinanzhof (BFH) gelangen kann.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Beschwerde gegen die Ablehnung der PKH durch das FG nicht statthaft, wenn das zugehörige Hauptsacheverfahren nicht an den BFH gelangen kann (Beschluß vom 14. Mai 1982 VIII B 1/82, BFHE 136, 53, BStBl II 1982, 600). Dieser zunächst auf §142 FGO i. V. m. §127 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) a. F. gestützte allgemeine Rechtsgrundsatz der Begrenzung des Beschwerdeweges auf den Rechtszug der Hauptsache gilt auch nach der Änderung des §127 Abs. 2 ZPO durch das Rechtspflege- Vereinfachungsgesetz vom 17. Dezember 1990 (BGBl I 1990, 2847) im Hinblick auf die Neufassung von §567 Abs. 3 ZPO fort (BFH-Beschlüsse vom 24. Juli 1992 VI B 6/92, BFH/NV 1992, 835, und vom 25. April 1995 VII B 29/95, BFH/NV 1995, 1087).
Im Streitfall kann die jeweils zugehörige Hauptsache nicht mehr an den BFH gelangen. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist dies nicht möglich, weil der Beschluß des FG mangels Zulassung der Beschwerde durch das FG unanfechtbar ist (§128 Abs. 3 FGO). Im Klageverfahren kann die Sache nicht mehr an den BFH gelangen, weil gegen das Urteil innerhalb der Rechtsmittelfrist weder die Nichtzulassungsbeschwerde noch die Revision eingelegt worden sind und damit das Urteil rechtskräftig ist.
Selbst bei dieser Sachlage könnte die Beschwerde ausnahmsweise noch Erfolg haben, wenn sich aus dem Vortrag des Antragstellers ergäbe, daß die Erfolgsaussichten seiner Rechtsverfolgung im Stadium vor Ergehen der Sachentscheidung in der jeweiligen Hauptsache anders zu beurteilen gewesen wären (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. August 1984 VII B 27/84, BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838; vom 6. März 1991 III B 145/89, BFH/NV 1991, 624, und vom 22. Februar 1994 VII B 114/92, BFH/NV 1994, 822). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Allein die Tatsache, daß das FG -- wie der Antragsteller angibt -- eine Beweiserhebung für erforderlich gehalten hat, ist nicht geeignet, notwendigerweise eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Klage i. S. des §142 FGO i. V. m. §114 ZPO zu begründen (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1986 2 BvR 25/86, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1987, 786). Wird vom Gericht der Tatsacheninstanz eine umfangreiche Sachaufklärung für erforderlich gehalten, so kann das zwar ein Anhaltspunkt für eine hinreichende Erfolgsaussicht sein (vgl. BFH-Beschluß vom 20. Februar 1990 VIII B 39/85, BFH/NV 1990, 785), weil eine Beweisantizipation im PKH-Verfahren grundsätzlich nicht zulässig ist (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. September 1987 IV a ZR 76/86, Neue Juristische Wochenschrift 1988, 266). Das Gericht muß aber im Einzelfall im summarischen Verfahren prüfen können, ob es die Beweiswürdigung für möglich hält (BFH-Beschluß vom 6. Juni 1994 VII B 2/94, BFH/NV 1995, 281), andernfalls könnte der Mittellose die PKH mit jedem aussichtslosen, aber formell korrekten und prozessual nicht übergehbaren Beweisantritt erzwingen (Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 56. Aufl., §114 Rz. 88; vgl. auch Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §142 FGO Rz. 26).
Da der Antragsteller sich in seiner Beschwerde allein auf die Tatsache der beabsichtigten Beweiserhebung gestützt hat, ohne die Möglichkeiten für die Beweisführung näher darzulegen, das FG in seinem Nichtabhilfebeschluß aber zum Ausdruck gebracht hat, daß es nach dem gesamten Sachverhalt keine Zweifel daran hatte, daß der Antragsteller zumindest die Zollguteigenschaft der von ihm transportierten Waren kennen mußte und der erkennende Senat keine anderen Anhaltspunkte für eine vor Ergehen der Entscheidung bestehende hinreichende Erfolgsaussicht der Klage hat, ist die Annahme gerechtfertigt, daß eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Klage trotz Anordnung der Beweiserhebung durch das FG nicht bestanden hat. Die Beschwerde kann daher auch in Anbetracht der vom FG angeordneten Beweiserhebung weder in bezug auf die für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch für das Klageverfahren beantragte PKH Erfolg haben.
Fundstellen
BFH/NV 1998, 741 |
JurBüro 1999, 334 |