Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung bei Versäumung der Revisionsfrist
Leitsatz (NV)
Zu den Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Revisionsfrist.
Normenkette
FGO §§ 56, 120
Verfahrensgang
Tatbestand
Mit Urteil vom 29. August 1989 wies das Finanzgericht (FG) die Klage der Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) wegen Gewinnfeststellung 1981 bis 1983 mangels Rechtsschutzbedürfnisses ab. Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu. Auf die Beschwerde der Klägerinnen, der das FG nicht abhalf, ließ der Senat mit Beschluß vom 28. August 1990 die Revision zu. Der Zulassungsbeschluß wurde den Prozeßbevollmächtigten der Klägerinnen am 7. September 1990 zugestellt. Eine Revisionsschrift ging beim FG am 26. August 1991 ein. Zur Begründung der Revision wurde auf die gleichzeitig beigefügte Kopie eines Revisionsschriftsatzes mit Revisionsbegründung vom 24. September 1990 verwiesen. Mit Telefax unter dem Datum des 5. September 1991, beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen am 6. September 1991, teilten die Prozeßbevollmächtigten mit, sie hätten vom FG die Mitteilung erhalten, der Eingang ihrer früheren Revisionsschrift vom 24. September 1990 könne beim FG nicht festgestellt werden; zuvor war den Prozeßbevollmächtigten auf Anfrage durch die Geschäftsstelle des Senats am 23. August 1991 fernmündlich mitgeteilt worden, eine Revisionsschrift sei bis dahin nicht vorgelegt worden. In dem Telefax heißt es weiter: ,,Wir übersenden deshalb eine beglaubigte auszugsweise Abschrift unseres Fristenbuches, Postausgang finanzgerichtliche Verfahren, für das Jahr 1990. Wir führen für finanzgerichtliche Verfahren ein spezielles Postausgangsbuch, in dem die fristgebundenen Postausgänge aufgezeichnet werden." Der - notariell beglaubigte - Auszug aus dem Postausgangsbuch enthält bei einer laufenden Nr. 3 die Bezeichnung der Parteien des Streitfalls, des Verfahrensgegenstandes (Gewinnfeststellung 1981 bis 1983), die Zeitangabe 24. September 1990 als Datum eines Revisionsschriftsatzes, die Angabe des FG Münster als Empfänger und einen Absendevermerk des Rechtsanwalts X, der zu den Prozeßbevollmächtigten gehört, vom 24. September 1990.
Nach Auffassung des FA ist die Revision verspätet eingegangen und kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mangels ausreichender Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes nicht gewährt werden. In einer Erwiderung dazu mit Schriftsatz vom 29. November 1991 machen die Prozeßbevollmächtigten Ausführungen zur Fristenkontrolle in ihrer Kanzlei. Dabei wird u.a. ausgeführt, daß der jeweilige Sachbearbeiter das fertige Schriftstück persönlich versandfertig mache und in eine besondere Postversandtasche lege, die sich in dem Zimmer befinde, in welchem durch den Postdienst die übrige Post erledigt werde.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig, weil sie verspätet eingelegt wurde und dieser Mangel nicht durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geheilt werden kann.
1. Die Revision ist nicht innerhalb der Frist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO eingelegt worden. Der Beschluß über die Zulassung der Revision war am 7. September 1990 zugestellt worden. Die Revisionsfrist endete daher, da der 7. Oktober 1990 ein Sonntag war, am 8. Oktober 1990 (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Eine Revisionsschrift ist erst am 26. August 1991, also verspätet, beim FG eingegangen.
2. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist liegen nicht vor.
a) Gemäß § 56 Abs. 2 FGO ist der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind nach ständiger Rechtsprechung innerhalb der Zweiwochenfrist substantiiert vorzutragen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. April 1988 X R 90/87, BFH/NV 1989, 110, m.w.N.); nur die Glaubhaftmachung der substantiiert vorgetragenen Tatsachen kann im weiteren Verlauf des Verfahrens nachgeholt werden (BFH-Urteil vom 21. Juli 1988 V R 97/83, BFHE 155, 177, BStBl II 1989, 60, 64). Ein Nachschieben von Gründen ist daher grundsätzlich unbeachtlich (vgl. BFH in BFH/NV 1989, 110). Nach Ablauf der Zweiwochenfrist können allenfalls unvollständige Angaben, soweit sie einen vorgetragenen Wiedereinsetzungsgrund betreffen, ergänzt werden (BFH-Urteil vom 27. März 1985 II R 118/83, BFHE 144, 1, BStBl II 1985, 586). Ein Verschulden, das einem Bevollmächtigten in Zusammenhang mit der Wahrung der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO unterläuft, muß der Steuerpflichtige sich zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO; BFH-Urteil in BFH/NV 1989, 110).
Geht man zugunsten der Klägerinnen davon aus, daß der Lauf der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO am Tage nach der Mitteilung der Geschäftsstelle des Senats, eine Revisionsschrift sei nicht eingegangen, also am 24. August 1991 begonnen hat, so hätten die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen spätestens bis zum Montag, 9. September 1991 (vgl. § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO) substantiiert vorgetragen werden müssen. Dazu hätte es einer in sich geschlossenen und aus sich heraus verständlichen Darstellung der Umstände bedurft, aus denen sich bei entsprechender Glaubhaftmachung ergeben würde, daß die Revisionsschrift rechtzeitig an das FG abgesendet worden war. Hierfür wären außer Angaben über die Führung eines Postausgangsbuchs und über die Erstellung der Revisionsschrift auch genaue Angaben darüber erforderlich gewesen, wann, zu welcher Uhrzeit und von wem die Revisionsschrift zur Post gegeben wurde (BFH-Beschluß vom 28. Februar 1985 VIII R 261/84, BFH/NV 1986, 30, und Urteil in BFH/NV 1989, 110). Die Prozeßbevollmächtigten haben statt dessen lediglich auf die Führung eines Postausgangsbuchs in ihrer Kanzlei hingewiesen und Kopie eines Auszugs daraus vorgelegt. Die gebotene schlüssige und aus sich heraus verständliche Darstellung des tatsächlichen Geschehensablaufs ergibt sich hieraus nicht; sie konnte auch nicht durch die nach Ablauf der Zweiwochenfrist nachgereichten Schriftsätze vom 29. November 1991 und vom 29. Januar 1992 nachgeholt werden. Denn diese Schriftsätze dienten nicht der Vervollständigung einzelner bisher unterlassener Angaben, sondern enthielten erstmals eine in sich geschlossene Darstellung der nach Auffassung der Prozeßbevollmächtigten die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen.
Für ihre gegenteilige Auffassung können die Klägerinnen sich auch nicht mit Erfolg auf das BFH-Urteil vom 27. März 1985 II R 118/83 (BFHE 144, 1, BStBl II 1985, 586) berufen. Im Falle dieses Urteils war nämlich, anders als im Streitfall, innerhalb der Ausschlußfrist ausgeführt worden, die nach Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit angeforderte Prozeßvollmacht sei am 8. Januar 1983 zur Post gegeben worden.
b) Davon abgesehen ergibt sich aber auch aus den nachgereichten Schriftsätzen keine vollständige und glaubhaft gemachte Darstellung des Geschehensablaufs. Zur Darlegung des Geschehensablaufs gehören, wie bereits unter a) ausgeführt, auch genaue Angaben darüber, wann, zu welcher Uhrzeit und von wem die Revisionsschrift tatsächlich zur Post gegeben wurde. In dem Schriftsitz vom 29. November 1991 ist zwar ausgeführt worden, der mit der Sache befaßte Prozeßbevollmächtigte habe die Revisionsschrift am 24. September 1990 versandfertig in eine Postversandtasche gelegt. Es ist jedoch weder dargelegt noch glaubhaft gemacht worden, wann, zu welcher Uhrzeit und von wem die Revisionsschrift tatsächlich zur Post gegeben wurde. Damit ist nicht glaubhaft dargelegt worden, daß die Revisionsschrift nachprüfbar tatsächlich auch versandt worden ist (vgl. Senatsbeschluß vom 17. Februar 1987 IV R 115/86, BFH/NV 1988, 780).
c) Das FA hat darauf hingewiesen, bereits am 4. 12. 1990 seien unter Hinweis auf die Abweisung der Klage durch das FG Aussetzungszinsen gemäß § 238 der Abgabenordnung (AO 1977) festgesetzt worden. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätten bei den Klägerinnen derart gewichtige Zweifel an der Fristwahrung aufkommen müssen, daß eine unverzügliche Nachfrage über den Zugang der Revisionsschrift beim FG geboten gewesen wäre. Die Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO sei daher bereits Ende 1990 oder Anfang 1991 in Lauf gesetzt worden. Im Hinblick auf die Ausführungen unter a) und b) kann offenbleiben, ob dem gefolgt werden könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 418582 |
BFH/NV 1993, 37 |