Entscheidungsstichwort (Thema)
Beklagte Behörde bei Nichtigkeit eines Verwaltungsakts
Leitsatz (NV)
- Bei der nach § 63 Abs. 1 Nr. 3 FGO zu beurteilenden Prozessführungsbefugnis der beklagten Behörde handelt es sich um eine Sachurteilsvoraussetzung, deren fehlerhafte Beurteilung ungeachtet der Tatsache, dass sie den Inhalt der angefochtenen Entscheidung bildet, einen Verfahrensmangel darstellt.
- Nach § 63 Abs. 1 Nr. 3 FGO kann die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes nur gegenüber der Steuerbehörde begehrt werden, die den angeblich nichtigen Verwaltungsakt erlassen hat.
Normenkette
FGO § 63 Abs. 1 Nr. 3, § 115 Abs. 3 S. 3
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) Klage mit dem Antrag festzustellen, dass ein vom FA X erlassener Feststellungsbescheid vom 15. Oktober 1992 betreffend die gesonderte Feststellung des Vermögens der Grundstücksgemeinschaft Z nichtig ist.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mangels Passivlegitimation des FA ab. Gegenüber dem beklagten FA könne der Kläger die Feststellung der Nichtigkeit des Feststellungsbescheides des FA X nicht verlangen.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde des Klägers. Dieser macht Verfahrensfehler und Divergenz geltend.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Von der Rüge einer fehlerhaften Anwendung des § 63 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgesehen, sind die übrigen Verfahrensmängel sowie die Divergenz nicht in einer § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargetan.
1. Divergenz
Zur genauen Bezeichnung der Divergenz ist es erforderlich darzutun, dass das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der näher angeführten Rechtsprechung des Revisionsgerichts nicht übereinstimmt. Hierzu müssen in der Beschwerdebegründung abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und der Divergenzentscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) so genau bezeichnet werden, dass eine Abweichung erkennbar wird. Der Kläger hat in seiner Beschwerdebegründung die Abweichung der Vorentscheidung von Entscheidungen des BFH lediglich behauptet, ohne die abweichenden Rechtssätze gegenüber zu stellen.
2. Verfahrensmängel
a) Soweit der Kläger fehlerhafte Aufklärung des Sachverhalts geltend macht, fehlt es an dem Vortrag, welche weiteren Feststellungen der Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils hätte enthalten müssen, um das Verständnis der Vorentscheidung als Prozessurteil zu ermöglichen. Darauf kann nicht verzichtet werden, auch wenn der Mangel im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten wäre (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 115 Anm. 65).
b) Soweit der Kläger rügt, das FG habe den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt, fehlt es an einer schlüssigen Darlegung, dass das FG bei Prüfung der Passivlegitimation des FA die dazu vom Kläger vertretene Rechtsauffassung nicht zur Kenntnis genommen habe (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 15. Juni 1994 II B 172/93, BFH/NV 1995, 131). Die Tatsache, dass das FG die Auffassung des Klägers zur Passivlegitimation des FA nicht teilt, bedeutet nicht, dass das FG seinen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen hat.
c) Soweit der Kläger rügt, das FG habe anstatt eines Sachurteils unter Verletzung von § 63 Abs. 1 Nr. 3 FGO ein Prozessurteil erlassen, ist die Beschwerde unbegründet. Bei der nach dieser Vorschrift zu beurteilenden Prozessführungsbefugnis der beklagten Behörde handelt es sich um eine Sachurteilsvoraussetzung (so BFH-Urteil vom 26. Februar 1980 VII R 60/78, BFHE 130, 12, BStBl II 1980, 331, unter 4.), deren fehlerhafte Beurteilung ungeachtet der Tatsache, dass sie den Inhalt der angefochtenen Entscheidung bildet, einen Verfahrensmangel darstellt (so Beschluss des erkennenden Senats vom 6. Juli 1988 II B 183/97, BFHE 153, 509, BStBl II 1988, 897, m.w.N.). Im Streitfall hat das FG jedoch die Prozessführungsbefugnis des FA zu Recht verneint, so dass der geltend gemachte Verfahrensfehler nicht vorliegt.
Die Vorschrift des § 63 Abs. 1 Nr. 3 FGO, wonach die Klage gegen die Behörde zu richten ist, der gegenüber die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt wird, ist nicht dahin zu verstehen, dass die Feststellung der Nichtigkeit gegenüber jeder Steuerbehörde begehrt werden könne, sondern geht als selbstverständlich davon aus, dass diese Feststellung nur gegenüber der den angeblich nichtigen Verwaltungsakt erlassenden Behörde begehrt werden kann (vgl. Ziemer/Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1978, § 63 Anm. 5). In seiner ursprünglichen Fassung enthielt § 63 Abs. 1 FGO keine Regelung über die Passivlegitimation bei Feststellungsklagen, sondern äußerte sich lediglich zu den Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Die nach der damaligen Gesetzeslage bestehende Lücke hatte die Rechtsprechung dahin ausgefüllt, dass die für Anfechtungsklagen vorgesehene Regelung entsprechend auf Klagen wegen der Feststellung der Nichtigkeit eines Steuerbescheides anzuwenden und diejenige Behörde passiv legitimiert sei, die den angeblich nichtigen Verwaltungsakt erlassen hat (so BFH-Urteil vom 4. Juni 1970 V R 92/66, 10/67, BFHE 99, 185, BStBl II 1970, 648, 651, unter 5.). Daran sollte sich durch die Neufassung des § 63 Abs. 1 FGO aufgrund des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976 (BGBl I, 3341) mit der ausdrücklichen Erwähnung auch der Feststellungsklage nichts ändern (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 63 FGO Anm. 9).
Fundstellen
Haufe-Index 425563 |
BFH/NV 2000, 1116 |