Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Ausbildungsfreibetrag durch konkludenten Antrag; Wiedereinsetzung bei Versäumung der Einspruchsfrist
Leitsatz (NV)
- Die Frage, ob ein Antrag auf Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages für ein studierendes Kind auch dann als gestellt gilt, wenn zwar Eintragungen zum Ausbildungsfreibetrag in den Zeilen 46 bis 50 unterblieben, die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Kindes aber in der Einkommensteuererklärung mitgeteilt worden sind, ist in einem nachfolgenden Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, wenn der Steuerpflichtige es unterlassen hat, rechtzeitig gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch einzulegen, obwohl ihm bewusst war, dass das FA den Ausbildungsfreibetrag nicht gewährt hat.
- Wird die Einspruchsfrist versäumt und fehlt im Steuerbescheid der Hinweis, inwieweit von den Angaben des Steuerpflichtigen abgewichen wurde, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gleichwohl nicht in Betracht, wenn die unterlassene Begründung für die Versäumung der Einspruchsfrist nicht ursächlich war.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 § 110 Abs. 1; EStG § 33a Abs. 2
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Das Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde am 20. Juli 2000 verkündet. Die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde beurteilt sich daher nach § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (FGO a.F.; vgl. Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze ―2.FGOÄndG―).
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die von ihnen behauptete grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht ordnungsgemäß dargelegt.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F., wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache muss in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dazu muss die Beschwerdeschrift konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen. Insbesondere sind Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 25. Mai 1999 V B 162/98, BFH/NV 1999, 1497). Zudem muss ausgeführt werden, dass die in Rede stehende Rechtsfrage in einem nachfolgenden Revisionsverfahren auch geklärt werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Dezember 1999 I B 46/99, BFH/NV 2000, 955).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Kläger sehen als grundsätzlich bedeutsam die Frage an, ob ein Antrag auf Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages auch dann als gestellt gelte, wenn zwar Eintragungen zum Ausbildungsfreibetrag in den Zeilen 46 bis 50 der "Anlage Kinder" unterblieben, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines studierenden Kindes aber auf dem vorgeschriebenen Formular mitgeteilt worden seien und das amtliche Formular einen ausdrücklichen Antrag nicht enthalte. Zusätzlich werfen sie unter Hinweis auf Art. 6 des Grundgesetzes (GG) und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), wonach über die Wiedereinsetzung großzügig zu entscheiden sei, die Frage auf, ob aus dem Gedanken des § 5 des Gesetzes zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) zu folgern sei, dass es zu Lasten des Finanzamts gehe, wenn der amtliche Vordruck Unklarheiten und Fehler enthalte.
Ungeachtet der Frage, ob die Kläger damit abstrakte Rechtsfragen und deren generelle Klärungsbedürftigkeit herausgearbeitet haben, ist die Beschwerde deshalb unzulässig, weil weder ersichtlich noch vorgetragen ist, dass diese Fragen in einem nachfolgenden Revisionsverfahren klärungsfähig sind. Denn auch wenn die Angaben der Kläger in der "Anlage Kinder" zur Einkommensteuer 1997 als Antrag auf Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages für ihre Tochter X zu werten wäre, wofür sprechen könnte, dass die Kläger alle hierzu erforderlichen Angaben gemacht haben, könnte dies allein einer Revision der Kläger nicht zum Erfolg verhelfen. Zwar hat der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) im Einkommensteuerbescheid nicht mitgeteilt, dass es dem Antrag der Kläger auf Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages nicht entsprochen hat; die Kläger tragen aber selbst vor, dass ihnen dies bewusst gewesen sei und sie es nur wegen des vom FA beigefügten Zusatzes im Einkommensteuerbescheid 1997 unterlassen hätten, Einspruch einzulegen. Wegen dieser Erläuterung, in der sie aufgefordert worden seien, im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1998 die Ausbildungsbescheinigungen ihrer über 18-jährigen Kinder vorzulegen, seien sie davon ausgegangen, dass über ihren Antrag auf Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages erst im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1998 entschieden werde.
Zwar kann nach § 110 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung fehlt und dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden ist (§ 126 Abs. 3 Satz 1 AO 1977). Dies gilt aber nur, wenn das Unterbleiben der Anhörung oder der Begründung ursächlich für die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist ist (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1988 IX R 158/85, BFH/NV 1989, 561, m.w.N.). Das ist hier aber nicht der Fall, weil die Kläger nach ihrem eigenen Vorbringen bemerkt haben, dass der Ausbildungsfreibetrag im Einkommensteuerbescheid 1997 nicht gewährt worden war. Auf die Frage, ob die Angaben der Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung, insbesondere im Hinblick auf Unklarheiten des Formulars, als Antrag auf Gewährung eines Ausbildungsfreibetrages zu werten sind, käme es demnach in einem nachfolgenden Revisionsverfahren nicht an.
Das FG hat in seinem Urteil die Auffassung vertreten, der Zusatz des FA, der dem Einkommensteuerbescheid 1997 beigefügt gewesen sei, hätte aus dem objektiven Empfängerhorizont nicht dahin gehend ausgelegt werden können, dass die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des Ausbildungsfreibetrages für 1997 noch nicht abgeschlossen gewesen sei und damit der Einkommensteuerbescheid insoweit nicht habe angefochten werden müssen. Die Kläger werfen im Hinblick auf diese Würdigung des FG keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO n.F. ab.
Fundstellen
Haufe-Index 644722 |
BFH/NV 2002, 5 |