Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinbarung über Zahlungsaufschub unterbricht Verjährung
Leitsatz (NV)
Die Aufzählung der Maßnahmen, die die Zahlungsverjährung unterbrechen, ist abschließend. Eine bestimmte rechtliche Qualität der Maßnahme, die die Verjährung unterbrechen soll, wird nicht verlangt. Auch eine Vereinbarung zwischen dem Vollstreckungsschuldner und der Finanzbehörde kann deshalb die Verjährung unterbrechen.
Normenkette
AO 1977 § 231 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 27.09.2002; Aktenzeichen 11 K 2864/97 AO) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) gegen Forderungen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgerechnete Anspruch auf Säumniszuschläge wegen Zahlungsverjährung erloschen ist. Die Säumniszuschläge waren im Jahre 1981 und 1982 entstanden. Die Aufrechnung ist 1996 erklärt worden. 1982 hat das FA u.a. mit der Klägerin eine Vereinbarung getroffen, in der es heißt, das FA werde als Gläubigerin etwaiger Säumniszuschläge diese nicht vor einer rechtskräftigen Entscheidung hinsichtlich aller in der Vereinbarung behandelten Ansprüche des FA gegen die Steuerpflichtige zur Zahlung anfordern. Das FA ist der Meinung, durch diese Vereinbarung bzw. die Nichtanforderung der Säumniszuschläge in der Folgezeit sei die Zahlungsverjährung unterbrochen worden. Es hat hierüber einen Abrechnungsbescheid gegen die Klägerin erlassen. Die deswegen von dieser erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Finanzgerichts (FG) richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der geltend gemacht wird, eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Es stellten sich nämlich im Streitfall folgende Rechtsfragen:
1. Kann eine die Geltendmachung etwaiger Säumniszuschläge beschränkende öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen einem Steuerpflichtigen und dem FA als Vollstreckungsaufschub gemäß § 258 der Abgabenordnung (AO 1977) angesehen werden und demgemäß die Verjährung der Säumniszuschläge gemäß § 231 Abs. 1 AO 1977 unterbrechen?
2. Kann eine ―möglicherweise― unzulässige Vereinbarung i.S. der Ziff. 1. in einen Verwaltungsakt in Form eines Vollstreckungsaufschubs gemäß § 258 AO 1977 umgedeutet werden?
3. Ist im Falle eines Vollstreckungsaufschubs eine Aufrechnung gegen einen Anspruch des Steuerpflichtigen auf Erstattung von Prozesszinsen zulässig?
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Revision ist nicht zuzulassen. Eine Entscheidung des BFH über die in der Beschwerdeschrift bezeichneten Fragen ist nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Diese Fragen verleihen der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Denn aus der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt sich ohne weiteres, dass die erste Frage zu bejahen ist. Die zweite ist in der Beschwerde sinngemäß nur für den Fall der Verneinung der ersten gestellt, wäre also im angestrebten Revisionsverfahren nicht zu beantworten. Die dritte, aus sich selbst heraus nicht ohne weiteres verständliche Frage, soll offenbar darauf zielen, ob das FA durch die vorgenannte Regelung in der Vereinbarung von 1982, nach der eine Zahlungsanforderung ausgeschlossen gewesen sei, an der Erklärung der Aufrechnung gehindert sei; auch diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren.
Im Einzelnen ist zu bemerken:
In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Aufzählung der Maßnahmen, die die Zahlungsverjährung nach § 231 Abs. 1 AO 1977 unterbrechen, abschließend ist und dass den dort aufgeführten Maßnahmen gemeinsam ist, dass es sich um nach außen wirkende Maßnahmen handelt (Urteil des Senats vom 24. September 1996 VII R 31/96, BFHE 181, 259, BStBl II 1997, 8). Eine bestimmte rechtliche Qualität der Maßnahme, die die Verjährung unterbrechen soll, wird jedoch nicht verlangt. Wie schon die gesetzliche Aufzählung zeigt, können solche Maßnahmen sowohl den Charakter eines Verwaltungsakts haben, aber auch bloße Willenserklärung oder Realakte sein (Urteil des Senats in BFHE 181, 259, BStBl II 1997, 8). Deshalb ist nicht zweifelhaft, dass auch eine Vereinbarung zwischen dem Vollstreckungsschuldner und der Finanzbehörde die Verjährung unterbrechen kann, wenn sie einen Vollstreckungsaufschub vorsieht. Als Vollstreckungsaufschub in diesem Sinne hat der Senat u.a. eine Vereinbarung über die Gewährung von Ratenzahlung für eine längere Zeitspanne angesehen (Senatsbeschluss vom 8. Januar 1998 VII B 137/97, BFH/NV 1998, 686). Entscheidend ist insofern nur, dass die Finanzbehörde dem Vollstreckungsschuldner zusagt, von der zwangsweisen Durchsetzung ihres Anspruchs für eine bestimmte Zeit absehen zu wollen, wobei es übrigens nicht darauf ankommen kann, ob diese Zusage ―was die Beschwerde offenbar im Streitfall bezweifeln will― gemäß § 258 AO 1977 rechtmäßig ist oder so nicht hätte ergehen dürfen. Selbst eine einseitige Erklärung des Vollstreckungsgläubigers, von Maßnahmen zur Durchsetzung seines Anspruches absehen zu wollen, ist als Vollstreckungsaufschub i.S. des § 231 Abs. 1 AO 1977 anzusehen und bewirkt folglich die Unterbrechung der Verjährung (Beschluss des Bundesgerichtshofs, Senat für Notarsachen, vom 20. März 2000 NotZ 1 und 9/00, Neue Juristische Wochenschrift 2000, 2431).
Dass danach die zwischen den Beteiligten 1982 geschlossene Vereinbarung, nach der das FA ―aufschiebend bedingt― davon absehen wollte, Säumniszuschläge zur Zahlung anzufordern, als eine die Zahlungsverjährung unterbrechende Maßnahme grundsätzlich in Betracht kommt, liegt auf der Hand und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Ob durch die Vereinbarung tatsächlich Vollstreckungsaufschub i.S. des § 231 Abs. 1 AO 1977 gewährt worden ist ―was anzunehmen freilich mehr als nahe liegt―, ist im Übrigen eine Frage der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls und daher nicht geeignet, zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO zu führen.
Wenn die Beschwerde ferner vorträgt, die vom FA erklärte Aufrechnung sei unzulässig gewesen, da das FA aufgrund der Vereinbarung von 1982 von der Klägerin Zahlung nicht habe fordern dürfen ―wobei die Beschwerde insoweit offenbar unterstellt, dass entgegen der Ansicht des FG die in der Vereinbarung enthaltene aufschiebende Bedingung bei Erklärung der Aufrechnung nicht eingetreten war―, führt auch dies nicht nachvollziehbar auf eine rechtliche Frage, die der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung verliehe oder im Interesse einer Fortbildung des Rechts höchstrichterlicher Klärung bedürfte.
Fundstellen