Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen einer Urteilsberichtigung nach § 107 FGO

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Urteilsberichtigung nach § 107 FGO ist nur bei Diskrepanz zwischen wirklichem und gewolltem Urteilsinhalt, nicht jedoch bei Fehlern in der Willensbildung und bei Denkfehlern möglich.

2. Im Beschwerdeverfahren gegen Berichtigungsbeschlüsse gemäß § 107 FGO besteht im Gegensatz zu dem zur Instanz gehörenden Berichtigungsverfahren keine Kostenfreiheit.

 

Normenkette

FGO § 107

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat mit Urteil vom 15. September 1986 die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wegen Körperschaftsteuer 1978 abgewiesen. In diesem Verfahren war streitig, ob die Klägerin gegenüber der B & Co. GmbH, für deren Erzeugnisse sie aufgrund eines Vertrages vom 1. Juli 1961 die Alleinvertretung besaß, nach Aufhebung des Vertrags im Jahre 1978 auf einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b des Handelsgesetzbuches (HGB) verzichtet hatte.

Die Geschäftsanteile an der B & Co. GmbH gehörten seit dem Tode des Alleingesellschafters P. B. im Jahre 1971 dessen beiden Töchtern aus erster Ehe zu je 50 v. H. Sie waren zur Hälfte belastet mit einem Nießbrauchsrecht zugunsten der zweiten Ehefrau des Verstorbenen, Frau M. B., die zugleich als Testamentsvollstreckerin eingesetzt worden war.

Im Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils war als Gründungszeitpunkt der B & Co. GmbH das Jahr 1961 angegeben (S. 4 des Urteils). In den Entscheidungsgründen bezeichnete das FG Frau M. B. als maßgeblich Beteiligte an der B & Co. GmbH (S. 15 des Urteils).

Nach Zustellung des klageabweisenden Urteils beantragte die Klägerin Berichtigung nach § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und führte hierzu aus, daß die B & Co. GmbH nicht im Jahre 1961, sondern bereits 1932 errichtet worden sei. Ferner sei Frau M. B. an der B & Co. GmbH nicht beteiligt.

Das FG änderte mit Beschluß vom 6. Januar 1987 die Jahreszahl ,,1961" in ,,1940" und lehnte den Antrag im übrigen ab. Zur Begründung führte es aus, daß die B & Co. GmbH gemäß der Urkunde des Notars Dr. S (UR Nr. 59/1940) am 31. März 1940 gegründet worden sei. Ein früherer Gründungszeitpunkt habe nicht festgestellt werden können. Die Aussage bezüglich der Beteiligung von Frau M. B. an der B & Co. GmbH beinhalte keine Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten i. S. des § 107 FGO.

Gegen diesen Beschluß hat die Klägerin fristgerecht Beschwerde eingelegt, der das FG nicht abgeholfen hat. Zur Begründung trägt sie vor, die Fa. P. B. sei bereits 1932 errichtet worden, wie sich aus der beigefügten Eröffnungsbilanz per 23. September 1932 ergebe. Das FG habe im Tatbestand seines Urteils festgestellt, daß Frau M. B. lediglich Testamentsvollstreckerin gewesen sei. Die Ausführungen auf S. 15 des Urteils stünden hierzu im Widerspruch. Denn das Wort ,,beteiligt" besage nach allgemeinem Sprachgebrauch, daß eine Verfügungsmacht als Gesellschafter bestehe.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA - ) hält die Beschwerde für unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 107 FGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu berichtigen. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Sinne dieser Vorschrift sind nur Erklärungsmängel, die mit dem Erklärungswillen des Gerichts erkennbar in Widerspruch stehen (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Oktober 1976 V B 16/76, BFHE 120, 145, BStBl II 1977, 38). Die Berichtigung nach § 107 FGO kann deshalb nur dazu führen, daß der erklärte Text des Urteils mit dem erkennbar gewollten Inhalt der Aussage in Deckung gebracht wird. Bei den von der Klägerin gerügten Fehlern besteht jedoch keine Diskrepanz zwischen wirklichem und gewolltem Urteilsinhalt.

1. Gründungszeitpunkt der B & Co. GmbH

Es kann dahinstehen, ob die B & Co. GmbH im Jahre 1932 oder im Jahre 1940 gegründet worden ist. Denn ausweislich der Begründung des Berichtigungsbeschlusses vom 6. Januar 1987 stimmt die Angabe des Jahres 1940 als Gründungszeitpunkt mit dem Erklärungswillen des Gerichts überein.

2. Beteiligung von Frau M. B. an der B & Co. GmbH

Der Hinweis des FG auf die maßgebliche Beteiligung von Frau M. B. an der B & Co. GmbH entspricht ebenfalls dem gewollten Urteilsinhalt. Diese Aussage beruht erkennbar auf einer rechtlichen Würdigung der Stellung von Frau M. B. gegenüber der B & Co. GmbH. Dem FG können hierbei zwar Fehler in der Willensbildung und Denkfehler unterlaufen sein. Derartige Fehler entziehen sich jedoch einer Berichtigung nach § 107 FGO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

In Berichtigungsbeschlüsse betreffenden Beschwerdeverfahren gemäß § 107 FGO ist, wie der erkennende Senat in seinem nicht veröffentlichten Beschluß vom 22. Januar 1976 I B 50/75 entschieden hat, über die Kosten zu entscheiden. Kostenfreiheit besteht nur in dem zur Instanz gehörenden Berichtigungsverfahren (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 107 FGO Tz. 3).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415438

BFH/NV 1989, 26

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