Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung der Sachaufklärungspflicht; Verletzung rechtlichen Gehörs bei Vertagungsantrag wegen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten
Leitsatz (NV)
1. Für eine schlüssige Verfahrensrüge der Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht sind insbesondere Ausführungen dazu erforderlich, aus welchem Grund sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunkts eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen.
2. Lehnt das FG einen kurzfristig gestellten Antrag auf Terminsverlegung wegen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten ab, liegt darin keine Gehörsverletzung, wenn das eingereichte ärztliche Attest keine medizinische Diagnose enthält.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 119 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 14.02.2008; Aktenzeichen 14 K 4500/05) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Verfahrensmängel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.
1. Soweit die Klägerin die Verletzung der dem Finanzgericht (FG) obliegenden Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO rügt, hat sie die Rüge nicht schlüssig erhoben.
a) Für eine schlüssige Verfahrensrüge wären Ausführungen dazu erforderlich gewesen, welche Tatsachen das FG hätte aufklären müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und aus welchen Gründen sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunkts die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43, m.w.N.).
b) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift nicht.
Die Klägerin führt insoweit aus, das FG hätte entsprechend dem schriftlichen Antrag im Klageverfahren die Akten des anhängigen Strafverfahrens --insbesondere die Vernehmungsprotokolle der Prostituierten-- anfordern müssen. Daraus hätten sich dann die Zahlungsmodalitäten sowie die Umstände der Zimmervermietung im Club ergeben und daraus wäre auch hervorgegangen, ob die Prostituierten eigene Anzeigen geschaltet hätten. Ferner hätte das FG nach dem Studium der Strafakten von Amts wegen auch ohne entsprechende Beweisanträge eine Beweisaufnahme durchführen müssen. Das FG habe sich bei seiner Entscheidung zu Unrecht im Wesentlichen den Inhalt der Akten des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) zu eigen gemacht.
Aus diesem allgemein gehaltenen Vorbringen ist nicht erkennbar, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und aus welchen Gründen sich dem FG eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen.
Das FG hat sein Urteil u.a. im Einzelnen darauf gestützt, dass die Klägerin aus maßgeblicher Sicht der Freier nach außen als Inhaberin des einheitlich organisierten Bordellbetriebes aufgetreten sei. So sei der Bordellbetrieb von ihr, der Klägerin, selbst mit Inseraten beworben worden. Sie habe ferner den Prostituierten nicht nur die erforderlichen Räume (wie z.B. Kontaktraum, Bar, Toiletten und Einzelzimmer) zeitweise zur Verfügung gestellt, sondern auch für einen reibungslosen Betriebsablauf (Belehrung der Prostituierten, Aufrechterhaltung des Zahlungsverkehrs usw.) gesorgt. Sie habe insbesondere durch den Einsatz eines entsprechenden Ablesegeräts Kreditkartenzahlungen ermöglicht. Diese seien auf das Konto des Nachtclubs und nicht etwa auf Kreditkartenkonten der einzelnen Prostituierten erfolgt.
Die Klägerin setzt sich nicht substantiiert mit diesen vom FG festgestellten --und von ihr nicht bestrittenen-- Tatsachen zu den Zahlungsmodalitäten und den Umständen der Zimmervermietung auseinander. Ohne ein solches Vorbringen ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Beiziehung der Strafakten insoweit aus maßgeblicher Sicht des FG entscheidungserheblich gewesen wäre. Dasselbe gilt für den Vortrag der Klägerin zu ergänzenden Zeitungsinseraten der Prostituierten selbst und den Umständen der Arbeitsaufnahme im Bordellbetrieb der Klägerin. Auch hierzu fehlt es an der Darstellung, weshalb im Hinblick auf den vom FG bereits festgestellten Sachverhalt diese Umstände hätten entscheidungserheblich sein sollen. Aus diesem Grund ist auch nicht ersichtlich, weshalb aus Sicht des FG ohne einen konkreten Beweisantrag zu einem bestimmten Beweisthema die Durchführung einer Beweisaufnahme angezeigt gewesen wäre.
Soweit die Klägerin darauf hinweist, das FG habe ihren Vortrag, die Prostituierten hätten Barzahlungen der Freier stets persönlich entgegengenommen, nicht als entscheidend bewertet, wendet sie sich gegen die ihres Erachtens unzutreffende materielle Rechtsauffassung des FG. Dies vermag die Revisionszulassung aber nicht zu rechtfertigen, zumal insoweit kein offensichtlicher Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung erkennbar ist, der zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO die Zulassung der Revision erfordern würde (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Februar 2002 VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798).
2. Mit ihrem behaupteten Verstoß gegen Denkgesetze im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO rügt die Klägerin gleichfalls einen materiell-rechtlichen Mangel des Urteils, der keinen Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Januar 2008 V B 201/06, BFH/NV 2008, 827, m.w.N.).
3. Auch die von der Klägerin behauptete Verletzung rechtlichen Gehörs i.S. von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes i.V.m. § 119 Nr. 3 FGO ist nicht gegeben.
a) Einem Verfahrensbeteiligten wird rechtliches Gehör versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und aufgrund der Verhandlung entscheidet, obwohl er einen Antrag auf Terminsverlegung gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend und auf Verlangen glaubhaft gemacht hat (§ 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung). In der Erkrankung eines Prozessbevollmächtigten ist regelmäßig ein erheblicher Grund für eine Terminsänderung zu erblicken. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist das FG aber nicht verpflichtet, einem "in letzter Minute" gestellten Antrag auf Terminsverlegung, der mit einer plötzlichen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten begründet wird, stattzugeben, wenn die Gründe für die Terminsverlegung nicht ausreichend dargelegt und mit der Antragstellung glaubhaft gemacht werden. Erforderlich ist regelmäßig die Vorlage eines ärztlichen Attests, aus dem sich die Verhandlungsunfähigkeit des Beteiligten ergibt, oder eine so genaue Schilderung der Erkrankung samt Glaubhaftmachung, dass das FG selbst beurteilen kann, ob die Erkrankung so schwer ist, dass ein Erscheinen zum Termin nicht erwartet werden kann. Ob im Einzelfall eine Terminsverlegung gerechtfertigt ist, muss das FG anhand der ihm bekannten Umstände beurteilen (vgl. BFH-Beschluss vom 10. April 2007 XI B 58/06, BFH/NV 2007, 1672).
b) Das FG hat bei der Ablehnung des kurzfristig gestellten Antrags auf Terminsverlegung wegen der Erkrankung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin diese Grundsätze beachtet. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass es den Mangel der medizinischen Diagnose in den eingereichten ärztlichen Attesten für entscheidend gehalten hat. Denn ohne eine derartige Diagnose war das FG nicht imstande, selbst zu beurteilen, ob die Erkrankung so schwer war, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht zum Termin erscheinen konnte (vgl. auch BFH-Beschluss vom 14. Mai 1996 VII B 237/95, BFH/NV 1996, 902).
Fundstellen