Leitsatz (amtlich)
Verfolgt ein Steuerpflichtiger ein und dasselbe materielle Ziel der Steuerminderung (Herabsetzung der Einkommensteuerschuld) gleichzeitig in zwei Klageverfahren (gegen die einheitliche Gewinnfeststellung und gegen die Einkommensteuerveranlagung), weil er der Auffassung ist, daß ein Erfolg im Gewinnfeststellungsverfahren möglicherweise verfahrensrechtlich auf die Einkommensteuerveranlagung nicht voll durchschlägt, so ist auch für das Klageverfahren, das die Einkommensteuerveranlagung betrifft, ein Streitwert anzusetzen, dessen Höhe sich danach richtet, um welchen Betrag die Einkommensteuerschuld nach dem Vorbringen des Klägers im Einkommensteuerveranlagungsverfahren herabgesetzt werden soll.
Normenkette
GKG § 13
Tatbestand
Der Kostenschuldner und Erinnerungsführer (Erinnerungsführer) betrieb in den Jahren 1969 bis 1971 eine freiberufliche Praxis als Steuerberater; er war außerdem Kommanditist einer KG und für diese als Steuerberater tätig. Das FA erfaßte bei den einheitlichen Gewinnfeststellungen 1969 bis 1971 für die KG die Vergütungen, die die KG dem Erinnerungsführer für dessen Tätigkeit als Steuerberater schuldete, gemäß § 15 Nr. 2 EStG; gleichzeitig berücksichtigte das FA die in der Praxis des Erinnerungsführers im Zusammenhang mit der Steuerberatung für die KG entstandenen Aufwendungen als Sonderbetriebsausgaben des Erinnerungsführers; um die Differenz erhöhte das FA die Gewinne der KG und die Gewinnanteile des Erinnerungsführers. Bei den Einkommensteuerveranlagungen des Erinnerungsführers 1969 bis 1971 erfaßte das FA die einheitlich festgestellten Gewinnanteile des Erinnerungsführers an der KG als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Rahmen der Ermittlung der Gewinne des Erinnerungsführers aus selbständiger Arbeit ließ das FA sowohl die von der KG an den Erinnerungsführer gezahlten Vergütungen als auch die durch die Tätigkeit des Erinnerungsführers für die KG entstandenen Aufwendungen außer Ansatz. Dies führte zu einer Erhöhung der Gewinne bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit, weil die durch die Tätigkeit des Erinnerungsführers für die KG entstandenen Ausgaben höher waren als die von der KG an den Erinnerungsführer tatsächlich gezahlten, also nicht nur geschuldeten Vergütungen.
Die KG und der Erinnerungsführer erhoben nach erfolglosem Einspruch Klage gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1969 und 1971 mit dem Ziel, die Gewinne der KG und die Gewinnanteile des Erinnerungsführers um die Differenz zwischen den Vergütungen für die Steuerberatungstätigkeit und den damit zusammenhängenden Sonderbetriebsausgaben niedriger festzustellen. Der Erinnerungsführer erhob außerdem nach erfolglosem Einspruch Klage gegen die Einkommensteuerbescheide 1969 bis 1971 mit dem Begehren, die von der KG an den Erinnerungsführer gezahlten Vergütungen und die durch die Tätigkeit des Erinnerungsführers für die KG angefallenen Betriebsausgaben im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu berücksichtigen und dementsprechend die Gewinne aus selbständiger Arbeit entsprechend niedriger (d. h. um 3 780 DM für 1969, um 4 319 DM für 1970 und um 10 988 DM für 1971 niedriger) anzusetzen.
Das FG wies die Klagen durch getrennte Urteile ab; die Revision ließ das FG nicht zu. Gegen die Urteile betreffend die einheitlichen Gewinnfeststellungen legten die KG und der Erinnerungsführer Nichtzulassungsbeschwerde ein; gegen das die Einkommensteuer betreffende Urteil legte der Erinnerungsführer Nichtzulassungsbeschwerde ein. Der BFH ließ mit Beschluß vom 21. Juli 1977 IV B 16-17/77 (BFHE 123, 48, BStBl II 1977, 760) die Revision gegen die die einheitlichen Gewinnfeststellungen betreffenden Urteile des FG zu, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (Anwendbarkeit des § 15 Nr. 2 EStG auf Vergütungen für freiberufliche Leistungen eines Mitunternehmers). Hingegen wies der BFH mit Beschluß vom 21. Juli 1977 IV B 15/77 die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das die Einkommensteuerveranlagungen betreffende Urteil des FG als unbegründet zurück und erlegte dem Erinnerungsführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens auf. Der BFH führte in diesem Beschluß im wesentlichen aus, zwar sei die Frage, ob § 15 Nr. 2 EStG auf Vergütungen für freiberufliche Leistungen eines Mitunternehmers anzuwenden sei, von grundsätzlicher Bedeutung. Über diese Frage müsse jedoch in dem die einheitlichen Gewinnfeststellungen betreffenden zugelassenen Revisionsverfahren entschieden werden. Zwar seien die Gewinnfeststellungsbescheide lediglich hinsichtlich der Höhe der gewerblichen Einkünfte des Erinnerungsführers, nicht hingegen hinsichtlich der Einkünfte des Erinnerungsführers aus selbständiger Arbeit bindend. Nach § 174 der Abgabenordnung (AO 1977) könnte jedoch aus der Entscheidung der Rechtsfrage im Gewinnfeststellungsverfahren auch die notwendige Folgerung für die Ermittlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung gezogen werden.
Die Kostenstelle des BFH setzte mit Kostenrechnung vom 20. September 1977 für das die Einkommensteuerveranlagungen 1969 bis 1971 betreffende Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision auf der Grundlage eines vom FG im klageabweisenden Urteil angesetzten Streitwerts von 8 950 DM Gerichtskosten in Höhe von 172 DM an. Hiergegen legte der Erinnerungsführer Erinnerung ein mit dem Antrag, die Kostenrechnung aufzuheben. Er macht geltend, wenn ein Gesellschafter gegen den Gewinnfeststellungsbescheid und den darauf beruhenden Einkommensteuerbescheid Rechtsbehelfe einlege und über beide Rechtsbehelfe entschieden werde, so sei für die Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen den Einkommensteuerbescheid kein Streitwert anzusetzen, weil dieser vom Streitwert der Feststellungssache erfaßt werde (FG Düsseldorf, Beschluß vom 20. November 1975 V 223/74 EK, EFG 1976, 194, mit weiteren Nachweisen; Ziemer/Birkholz, Finanzgerichtsordnung, § 140 Anm. 61).
Entscheidungsgründe
Die Erinnerung ist nicht begründet.
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG ist der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Nach § 13 Abs. 2 GKG ist, sofern der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, deren Höhe maßgebend.
Danach hat die Kostenstelle des BFH der Berechnung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision gegen das klageabweisende Urteil des FG in Sachen Einkommensteuer 1969 bis 1971 zu Recht den Betrag als Streitwert zugrunde gelegt, um den sich nach dem Vorbringen des Klägers im Klageverfahren die Einkommensteuerschuld des Klägers für die Jahre 1969 bis 1971 vermindern sollte. Denn der Streitwert einer Nichtzulassungsbeschwerde bestimmt sich nach dem Streitwert des Klageverfahrens, sofern der Beschwerdeführer nicht erkennbar macht, daß er in einem Revisionsverfahren das Klagebegehren nur noch eingeschränkt weiterverfolgen will (vgl. BFH-Beschluß vom 26. Mai 1965 II 188/63 U, BFHE 82, 675, BStBl III 1965, 490).
Dieser Grundsatz erleidet auch dann keine Ausnahme, wenn ein Steuerpflichtiger ein und dasselbe materielle Ziel der Steuerminderung (Herabsetzung der Einkommensteuerschuld) gleichzeitig in zwei Verfahren verfolgt, also wie im Streitfall sowohl gegen einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid als auch gegen einen Einkommensteuerbescheid Klage erhebt, weil er der Auffassung ist, daß ein Erfolg im Gewinnfeststellungsverfahren möglicherweise verfahrensrechtlich auf die Einkommensteuerveranlagung nicht voll durchschlage und deshalb beide Klagen notwendig seien. Die nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes zu erhebenden Gebühren sind ein Entgelt für die Inanspruchnahme der Gerichte, das pauschal angesetzt ist, d. h. ohne Rücksicht auf die im Einzelfalle gerichtlicherseits aufgewandte Arbeitskraft, aber auch ohne Rücksicht darauf, ob die Inanspruchnahme der Gerichte zur Erreichung des materiellen Zieles objektiv unerläßlich war oder nicht, und ob in zwei verschiedenen Verfahren letztlich dasselbe materielle Ziel verfolgt wird. Die Auffassung des Erinnerungsführers, der für das Gewinnfeststellungsverfahren anzusetzende Streitwert "umfasse" den Streitwert für das gleichlaufende Einkommensteuerverfahren, wenn in beiden Verfahren dasselbe materielle Ziel verfolgt werde, würde im Streitfall dazu führen, daß für das Einkommensteuerverfahren überhaupt kein Streitwert anzusetzen wäre und damit sowohl das Klageverfahren wie auch das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gebührenfrei wären. Ein derartiges Ergebnis ist mit dem Grundsatz unvereinbar, daß das Gesetz keine kostenlosen Klagen und keine kostenlosen Rechtsmittel kennt (vgl. auch BFH-Beschluß vom 2. März 1961 IV 169/59, HFR 1961, 164). Im übrigen ist auch der Erinnerungsführer in seiner Nichtzulassungsbeschwerde davon ausgegangen, daß das Klageverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid einen Streitwert hat und daß dieser Wert dem Betrag entspricht, um den die Einkommensteuerschuld herabgesetzt werden soll, denn der Erinnerungsführer hat sich in seiner Nichtzulassungsbeschwerde ausdrücklich gegen eine Erhöhung der Revisionssumme von 1 000 DM auf 10 000 DM durch das Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs gewandt.
Ob bei der Bemessung des Streitwerts für ein Klageverfahren gegen einen Einkommensteuerbescheid, das neben einem Klageverfahren gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid läuft, das im Klageverfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid verfolgte materielle Ziel dann außer Ansatz zu lassen ist, wenn mit der Klage gegen den Einkommensteuerbescheid nur ein zusätzliches anderes materielles Interesse (z. B. Sonderausgabenabzug) verfolgt wird, bedarf im Streitfall keiner Erörterung; nur diesen Fall aber hat das FG Düsseldorf mit dem vom Erinnerungsführer zitierten Beschluß (EFG 1976, 194) entschieden.
Fundstellen
BStBl II 1978, 198 |
BFHE 1978, 144 |