Leitsatz (amtlich)
Ist gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde eingelegt worden und werden vor der Entscheiung über diese Beschwerde dem BFH gegenüber von den Beteiligten übereinstimmende Erklärungen in der Hinsicht abgegeben, daß der gesamte Rechtsstreit erledigt sei, hat der BFH als das mit der Sache befaßte Gericht über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden (Hinweis auf die Entscheidungen des BVerwG III B 6/64 vom 8. Juli 1965, MDR 1965, 733, und VIII B 200/67 vom 18. September 1969, MDR 1970, 74).
Normenkette
FGO §§ 115, 138
Tatbestand
Zu entscheiden ist nur noch, wer die Verfahrenskosten zu tragen hat.
Die Klägerin hatte gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihre Klage abweisenden Urteil des FG Beschwerde eingelegt, der das FG nicht abhalf.
Streitgegenstand vor dem FG war die Frage, ob das HZA verpflichtet ist, der Klägerin 524,11 DM Ausgleichsteuer für in den Jahren 1963/1964 aus Holland eingeführtes Walzen-Vollmilchpulver und Süßmolkenpulver der Tarifstelle 04.02-A des Zolltarifs aus Billigkeitsgründen zu erstatten.
Nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erstattete das HZA den streitigen Betrag und nahm seinen Ablehnungsbescheid zurück. Klägerin, Beklagter (HZA) und die beigetretene OFD erklärten dem BFH gegenüber übereinstimmend, die Hauptsache sei erledigt. Die Klägerin beantragte außerdem, dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen hat sich nicht nur die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, sondern auch der Rechtsstreit über die Erstattung der Steuer erledigt. Das entspricht dem Willen der Beteiligten, nachdem das HZA dem Begehren der Klägerin in vollem Umfang entsprochen hat.
Der Erledigung der Hauptsache - insbesondere des Rechtsstreits über die Erstattung aus Billigkeitsgründen - steht nicht entgegen, daß hier schon ein Urteil des FG ergangen ist. Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig geworden. Seine Rechtskraft war durch die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gehemmt (§ 115 Abs. 4 FGO). Ob diese Wirkung nur durch eine zulässige Beschwerde eintreten kann, kann dahinstehen, da im vorliegenden Fall Bedenken gegen die Zulässigkeit der von der Klägerin eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde nicht bestehen. Sie ist fristgerecht eingelegt worden und in der Beschwerdeschrift hat die Klägerin die Gründe dargelegt, die nach ihrer Meinung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ausmachen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 FGO). Ob diese Gründe überzeugend gewesen wären, wäre nicht bei der Frage der Zulässigkeit, sondern erst bei einer späteren Prüfung der Begründetheit der Beschwerde zu untersuchen gewesen.
Schon nach zivilprozessualen Grundsätzen sind übereinstimmende Erledigungserklärungen bis zur Rechtskraft eines die Instanz beendenden Urteils möglich. Es ist dann nur noch über die Kosten des Verfahrens nach § 91a ZPO zu entscheiden. Die bislang ergangenen Entscheidungen werden kraft Gesetzes wirkungslos. Dieses Ergebnis wird aus der entsprechenden Anwendung der Grundsätze über die Klagerücknahme gefolgert (Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 91 a, Anm. II 2 und Fußnote 29; Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 30. Aufl., § 91 a, Anm. 2 B). Allerdings wird in der angeführten Literatur gefordert, daß die übereinstimmenden Erledigungserklärungen bei dem Gericht abgegeben werden, das das noch nicht rechtskräftige Urteil erlassen hat.
Das BVerwG hat für den Bereich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens diese Grundsätze übernommen. Für den besonderen Fall, welches Gericht zuständig ist, wenn gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde eingelegt worden ist und die Beteiligten vor Entscheidung über diese Beschwerde die Hauptsache für erledigt erklären, hat das BVerwG in der Entscheidung III B 6/64 vom 8. Juli 1965 (Monatsschrift für Deutsches Recht 1965 S. 773 - MDR 1965, 773 -, NJW 1965, 1732, Die Öffentliche Verwaltung 1965 S. 718) die eigene Zuständigkeit für die Entscheidung bejaht, das Verfahren einzustellen, das Urteil der Vorinstanz für unwirksam zu erklären und über die Kosten des Verfahrens nach § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung zu entscheiden. In der späteren Entscheidung VIII B 200/67 vom 18. September 1969 (Entscheidungen des BVerwG Bd. 34 S. 40, MDR 1970, 74) hat das BVerwG seine Auffassung in der Hinsicht näher erläutert, daß im Falle der übereinstimmenden Erledigungserklärungen während eines Verfahrens über eine Nichtzulassungsbeschwerde das mit dieser Beschwerde angegangene Gericht allein mit der Sache befaßt sei und nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten mit den Erledigungserklärungen der Abschluß des gesamten Verfahrens bezweckt werde. Das BVerwG macht sodann Ausführungen, daß die Rechtslage anders zu beurteilen ist, wenn - was hier nicht vorliegt - nur eine einseitige Erledigungserklärung abgegeben worden ist.
Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Sie entspricht der Prozeßökonomie insofern, als die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens, nämlich des sachlichen Rechtsstreits und der Nichtzulassungsbeschwerde, in einer Hand bleiben und die Gefahr widersprechender Gerichtsentscheidungen vermieden wird. Wie schon dargelegt, bezwecken im vorliegenden Fall die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten die Beendigung des gesamten Verfahrens. Der nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde mit der Sache befaßte Senat hat daher nach den für das finanzgerichtliche Verfahren geltenden Grundsätzen nur noch über die Kosten des Verfahrens, und zwar des gesamten Verfahrens, nämlich über die Kosten des Verfahrens vor dem FG einschließlich der Kosten des außergerichtlichen Vorverfahrens sowie über die Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem BFH nach § 138 FGO zu entscheiden. Da im vorliegenden Fall dem Begehren der Klägerin durch Rücknahme des angefochtenen Verwaltungsaktes und durch Ausspruch der begehrten Erstattung aus Billigkeitsgründen voll entsprochen worden ist, waren diese Kosten nach § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO dem Beklagten (HZA) aufzuerlegen.
Fundstellen
Haufe-Index 69665 |
BStBl II 1972, 706 |
BFHE 1972, 17 |