Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz; Fortbildung des Rechts; Einverständniserklärung zu einer Entscheidung durch den Einzelrichter im Verfahren vor dem FG
Leitsatz (NV)
1. Eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO kann nur vorliegen, wenn das FG bei einem gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Rechtsauffassung eines anderen Gerichts abweicht.
2. Zur schlüssigen Darlegung des Zulassungsgrundes “Fortbildung des Rechts” ist eine im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftige Rechtsfrage zu bezeichnen. Hierzu sind auch Ausführungen erforderlich, inwiefern die aufgeworfene Rechtsfrage in Rechtsprechung und/oder Schrifttum umstritten ist.
3. Die Erklärung eines Beteiligten, mit einer Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter einverstanden zu sein, ist eine Prozesshandlung, die dem Gericht gegenüber unmissverständlich abzugeben ist. Unabhängig von der Frage, ob ein Widerruf einer Einverständniserklärung grundsätzlich möglich ist, müsste der Widerruf jedenfalls klar, eindeutig und vorbehaltlos gegenüber dem Gericht erklärt werden.
Normenkette
FGO § 79a Abs. 3-4, § 90 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 25.04.2008; Aktenzeichen 12 K 3052/04 F) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) eine Zulassung der Revision zur Sicherung der Rechtseinheit (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--) begehren, haben sie die behauptete Divergenz des angefochtenen Urteils zu den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. Juni 2006 IX R 45/05 (BFHE 214, 176, BStBl II 2006, 803) und vom 15. November 2005 IX R 3/04 (BFHE 212, 45, BStBl II 2006, 258) nicht erkennbar gemacht. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, einander widersprechende abstrakte Rechtssätze aus der Entscheidung der Vorinstanz einerseits und den --zutreffend zu bezeichnenden-- Divergenzentscheidungen andererseits gegenüberzustellen.
Die Kläger haben auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts im Streitfall erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO). Hierzu wären etwa Ausführungen zu der Frage erforderlich gewesen, inwieweit eine höchstrichterliche Klärung des Streitfalles vor dem Hintergrund der einschlägigen Rechtsprechung des BFH zur steuerrechtlichen Einordnung von Zahlungen, die zur Befreiung eines Grundstücks von einer dinglichen Belastung geleistet werden (vgl. Urteil vom 17. April 2007 IX R 56/06, BFHE 218, 53, BStBl II 2007, 956, mit zahlreichen weiteren Nachweisen), noch erforderlich ist.
Der von den Klägern geltend gemachte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Die Erklärung eines Beteiligten, mit einer Entscheidung durch den (konsentierten) Einzelrichter gemäß § 79a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 FGO einverstanden zu sein, ist eine Prozesshandlung, die dem Gericht gegenüber unmissverständlich abzugeben ist. Unabhängig von der Frage, ob ein Widerruf einer dahin gehenden Einverständniserklärung grundsätzlich möglich ist, müsste der Widerruf jedenfalls klar, eindeutig und vorbehaltslos gegenüber dem Gericht erklärt werden (BFH-Beschluss vom 26. April 2005 VII B 83/04, BFH/NV 2005, 1592). Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger seine unmissverständlich erteilte Zustimmung zur Entscheidung durch den Einzelrichter gemäß § 79a Abs. 3, 4 FGO nicht widerrufen. Mit Schriftsatz vom 10. März 2008 hat er ausdrücklich nur den Widerruf seines Verzichts auf mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO) erklärt. Es kann offen bleiben, ob dieser Widerruf mit Blick auf eine wesentliche Änderung der Prozesslage im Streitfall überhaupt zulässig war; denn jedenfalls hat das Finanzgericht die mündliche Verhandlung anschließend durchgeführt.
Fundstellen