Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Veranlagungswahlrecht eines geschiedenen Ehegatten
Leitsatz (NV)
Ein Ehegatte mit eigenen Einkünften, die dem Steuerabzug unterlegen haben, kann im Einspruchsverfahren auch dann noch nachträglich getrennte Veranlagung beantragen, wenn er sich während des Scheidungsverfahrens dem anderen Ehegatten gegenüber mit einer Zusammenveranlagung einverstanden erklärt hatte.
Normenkette
EStG § 26 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Antragsteller, Beschwerdeführer und Kläger (Kläger) wurde mit seiner zwischenzeitlich von ihm geschiedenen Ehefrau zu den Streitjahren 1996 und 1997 mit Bescheiden vom 31. Juli 1998 zunächst antragsgemäß zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei ergab sich eine Einkommensteuerschuld von 13 235 DM (1996) bzw. 12 001 DM (1997), die wegen Lohnsteuerabzugsbeträgen beider Ehegatten nur zu einer Einkommensteuernachzahlung von 505 DM (1996) bzw. 556 DM (1997) führte. Gegen die Bescheide, die an die auf den Steuererklärungen angegebene Adresse bekannt gegeben worden waren, legte die geschiedene Ehefrau des Klägers mit Schreiben vom 19. August 1998 am 26. August 1998 Einspruch ein und beantragte getrennte Veranlagung. Der Beklagte (das Finanzamt ―FA―) half dem Einspruch ab und führte mit Bescheiden vom 10. und 17. September 1998 getrennte Veranlagungen durch, die beim Kläger zu einer Einkommensteuernachzahlung von 5 792 DM (1996) bzw. 5 696 DM (1997) und bei seiner geschiedenen Ehefrau zu Erstattungen von mehreren 1 000 DM führten.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte der Kläger geltend, die Bescheide hätten nicht geändert werden dürfen, da seine ehemalige Ehefrau an die Einwilligung zur Zusammenveranlagung gebunden gewesen sei. Des Weiteren beantragte der Kläger, ihm für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren. Das Finanzgericht (FG) versagte die Gewährung von PKH mit dem hier angefochtenen Beschluss, da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Ehegatten könnten sich vom gemeinsamen Antrag auf Zusammenveranlagung grundsätzlich bis zur Bestandskraft des Bescheides durch einseitigen Antrag auf getrennte Veranlagung lösen. Abweichendes gelte lediglich, wenn der Antrag auf getrennte Veranlagung willkürlich sei, wenn der betreffende Ehegatte keine eigenen positiven oder negativen Einkünfte habe oder wenn sie wegen ihrer geringen Höhe weder zu einer Einkommensteuerveranlagung führen könnten noch einem Steuerabzug unterlegen hätten. Nach Maßgabe dieser Grundsätze sei dem Antrag auf getrennte Veranlagung zu Recht stattgegeben worden. Hinweise auf eine missbräuchliche Ausübung des Wahlrechts seien nicht ersichtlich. Die ehemalige Ehefrau des Klägers habe im Jahre 1996 eigene Einkünfte von 21 808 DM und in 1997 von 18 743 DM bezogen, die dem Lohnsteuerabzug unterlegen hätten.
Mit der Beschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Gewährung von PKH weiter. Nach Darlegung der Umstände, die zur ursprünglichen Zusammenveranlagung geführt hätten, führt er aus, die neue Ausübung des Wahlrechts sei rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam gewesen. Denn der Antrag der ehemaligen Ehefrau sei wirtschaftlich und steuerlich sinnlos gewesen. Die Zusammenveranlagung habe für beide Ehegatten eine Steuererstattung in geringer Höhe zur Folge gehabt, während die nunmehr beantragte Einzelveranlagung bei ihm, dem Kläger, zu Nachzahlungen in Höhe von 13 537 DM führe, und seine geschiedene Ehefrau nunmehr Erstattungen von einigen 1 000 DM erhalte. Per Saldo bewirke die getrennte Veranlagung für die Ehegatten eine höhere Nachzahlung. Aufgrund der geringeren Einkünfte der Ehefrau sei bei der getrennten Veranlagung ihr gegenüber keine bzw. nur eine sehr geringe Einkommensteuer festgesetzt worden, so dass sie die ihr einbehaltene Lohnsteuer fast vollständig erstattet bekommen habe. In einem solchen Fall sei nach dem Urteil des Bundesfinanzhof (BFH) vom 10. Januar 1992 III R 103/87 (BFHE 166, 295, BStBl II 1992, 297) von einer Unwirksamkeit des Antrags auf getrennte Veranlagung auszugehen. Das Abrücken von der Zusammenveranlagung verstoße auch deswegen gegen Treu und Glauben, weil sich die Ehefrau während des ganzen Scheidungsverfahrens mit einer Zusammenveranlagung einverstanden erklärt habe und dies, obwohl ihr von einem Steuerberater ausgerechnet worden sei, dass sie bei getrennter Veranlagung eine hohe Steuerrückerstattung, er, der Kläger dagegen eine hohe Steuernachzahlung zu erwarten habe. Auch ihr Bevollmächtigter im Scheidungsverfahren habe ausgeführt, dass eine gemeinsam gewählte Zusammenveranlagung der beste Weg sei. Wenn sich die ehemalige Ehefrau jetzt hierzu in Widerspruch setze, verhalte sie sich treuwidrig.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Sie war aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen (§ 113 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Entgegen der Auffassung des Klägers greifen die einen nachträglichen Antrag auf getrennte Veranlagung ausschließenden Gründe ―keine eigenen positiven oder negativen Einkünfte oder so geringe Einkünfte, dass sie weder einem Steuerabzug unterlegen haben noch zur Einkommensteuerveranlagung führen― im Streitfall gerade nicht ein. Insbesondere ist der Antrag der ehemaligen Ehefrau auch nicht wirtschaftlich sinnlos, da sie ―wie der Kläger selbst betont― infolge der getrennten Veranlagung eine erhebliche Erstattung erzielt, während die Zusammenveranlagung ―vorbehaltlich der Beschränkungen aufgrund eines Aufteilungsverfahrens― zu einer Nachforderung gegenüber beiden Ehegatten geführt hätte. Da es im Übrigen auf die Gründe, die zur ursprünglichen Zusammenveranlagung geführt hatten, steuerlich nicht ankommt, verbleibt es bei dem Grundsatz, dass das Veranlagungswahlrecht im Einspruchsverfahren neu ausgeübt werden konnte.
Fundstellen