Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Klagefrist
Leitsatz (NV)
Wird ein Wiedereinsetzungsantrag auf die Behauptung der fristgerechten Absendung eines beim Adressaten nicht eingegangenen Schriftsatzes gestützt, sind zum einen Angaben dazu erforderlich, wann, in welcher Weise und von welcher Person der Schriftsatz zur Post gegeben worden ist. Ferner ist die Organisation der Fristenkontrolle nach Art und Umfang darzulegen. Schließlich sind diese Angaben durch geeignete Beweismittel glaubhaft zu machen. Dazu ist sowohl die Abgabe detaillierter eidesstattlicher Versicherungen der mit der Anfertigung und Absendung des Schriftsatzes unmittelbar befassten Personen als auch die Vorlage von Auszügen aus dem Fristenkontrollbuch und dem Postausgangsbuch erforderlich.
Normenkette
FGO §§ 56, 115 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 16.03.2006; Aktenzeichen 14 K 507/03) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) kommt nicht in Betracht. Ebenso wenig rechtfertigt § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO (Erfordernis einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs --BFH-- zur Rechtsfortbildung und zur Sicherung der Rechtseinheit) die Zulassung der Revision. Der gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor.
1. "Grundsätzliche Bedeutung" kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein. Eine Rechtsfrage ist u.a. dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen. Davon ist hier auszugehen.
Durch die Rechtsprechung des BFH ist hinreichend geklärt, unter welchen Voraussetzungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO in Betracht kommt. Die Wiedereinsetzung setzt in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll; die Glaubhaftmachung der geltend gemachten Tatsachen kann hingegen auch noch im weiteren Verfahren über den Antrag geschehen. Wird ein Wiedereinsetzungsantrag auf die Behauptung der fristgerechten Absendung eines beim Adressaten nicht eingegangenen Schriftsatzes gestützt, sind nach der in der angefochtenen Entscheidung zitierten Rechtsprechung zum einen genaue Angaben dazu erforderlich, wann (an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit), in welcher Weise (Einwurf in einen bestimmten Postbriefkasten oder Abgabe in einer bestimmten Postfiliale) und von welcher Person der Schriftsatz zur Post gegeben worden ist. Ferner ist die Organisation der Fristenkontrolle nach Art und Umfang darzulegen. Schließlich sind diese Angaben durch geeignete Beweismittel glaubhaft zu machen. Dazu ist sowohl die Abgabe detaillierter eidesstattlicher Versicherungen der mit der Anfertigung und Absendung des Schriftsatzes unmittelbar befassten Personen als auch die Vorlage von Auszügen aus dem Fristenkontrollbuch und dem Postausgangsbuch erforderlich (vgl. auch BFH-Entscheidungen vom 9. Februar 2005 X R 11/04, BFH/NV 2005, 1115; vom 13. Januar 2004 VII B 127/03, BFH/NV 2004, 655; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 56 Rz. 37, 42).
Die angefochtene Entscheidung des Finanzgerichts (FG) beruht auf dieser Rechtsprechung. Nach den genannten Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand schon deshalb nicht vor, weil, wie das FG zu Recht angenommen hat, der Wiedereinsetzungsantrag nicht den genannten Begründungsanforderungen gerecht wird. Die Beschwerdebegründung lässt im Übrigen keine Rechtsfrage erkennen, die durch die vorgezeichnete Rechtsprechung noch nicht geklärt ist.
2. Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) Divergenz zu den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 5. Oktober 1999 VI ZB 22/99 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2000, 365) und "in VersR 80, 973" geltend macht, ist die Beschwerde unzulässig. Sie entspricht nicht den Begründungsanforderungen. Wird Divergenz geltend gemacht, ist darzulegen, welchem konkreten im angefochtenen Urteil aufgestellten entscheidungserheblichen Rechtssatz ein hiervon abweichender Rechtssatz der genannten Entscheidung gegenübersteht. Das ist nicht geschehen.
3. Die Rüge, das angefochtene Urteil beruhe auf einem vom FG nicht ordnungsgemäß aufgeklärten Sachverhalt, ist nicht schlüssig erhoben. Weder hat die Klägerin dargelegt, dass das FG Beweisanträge übergangen habe. Noch hat sie dargelegt, warum das FG auch ohne entsprechenden Sachvortrag verpflichtet gewesen wäre, von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufzuklären.
Zwar kann auch die Nichtberücksichtigung von Umständen, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätten einfließen müssen, verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG seiner Sachaufklärungspflicht nicht nachkommt oder Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt lässt. Allerdings ist die fehlerhafte Würdigung des Beteiligtenvorbringens durch das FG kein Verfahrensfehler (BFH-Beschluss vom 19. Mai 2000 X B 75/99, BFH/NV 2000, 1458).
4. Im Kern erschöpfen sich die Ausführungen der Klägerin --nach Art einer Revisionsbegründung-- in kritischen Äußerungen darüber, dass und warum das FG den Streitfall in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht unzutreffend gewürdigt habe. Die Rüge solcher Fehler rechtfertigt indessen grundsätzlich die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht.
Fundstellen